: SPD und ihr Wahlkampf sind im Umfragetief
■ Zweifel an der Strategie, weil Meinungsforscher die Sozialdemokraten bei 22 Prozent sehen. Die Parteispitze hofft auf positive Stimmung durch Bonner Zukunftsprogramm
Nach dem Umfrageschock vom Wochenende werden in der Berliner SPD Zweifel an der Wahlkampfführung laut. Mit 22 Prozent sieht das Forsa-Institut die Partei noch unter dem miserablen Wahlergebnis von 1995. „Wir müssen jetzt sehr schnell analysieren, was gut läuft und was nicht“, sagte der Weddinger Bezirksbürgermeister Hans Nisblé. Im Wahlkampf könne „handwerklich einiges besser gemacht werden“. Aber auch inhaltlich werde das Profil der Berliner SPD durch Kompromißformeln verwässert. Der Partei fehle der Mut, „im Konfliktfall mehrheitlich zu entscheiden“.
Daß die SPD dieses Profil nur auf der Linie des harten Bonner Sparkurses finden kann, gilt offenbar auf allen Parteiflügeln als ausgemacht. Dieser Kurs werde auch vom linken Donnerstagskreis „voll getragen“, sagte Parteichef Strieder gestern. Die SPD müsse jetzt deutlich machen, daß der in Bonn erfolgreiche Modernisierungskurs in Berlin vom Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) behindert werde. „Gott sei Dank“, so Strieder, „ist die Wahl erst am 10. Oktober.“ Die zentrale Frage laute nun: „Kriegen wir die Operation Schröder/Eichel rechtzeitig hin?“
Auch der Spandauer Kreisvorsitzende Swen Schulz, der noch im Frühjahr das Modernisierungspapier der Parteispitze kritisiert hatte, plädierte dafür, „den Kurs der Bundesregierung zu unterstützen“. Die Haushaltssanierung dürfe zwar „nicht das einzige Ziel“ sein, aber sie sei „die notwendige Bedingung, um die eigentlichen Ziele der SPD umzusetzen“.
Auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Christian Gaebler betonte, die Partei müsse ihre eigenen Positionen stärker herausstellen. In den Fragen, die vor der Wahl noch zur Entscheidung anstehen, dürfe die Partei mit der CDU keine „Kompromisse um jeden Preis“ schließen. In der Politik der Großen Koalition seien die SPD-Konzepte auf vielen Feldern nicht mehr erkennbar. Viele WählerInnen fragten sich daher, warum sie die SPD wählen sollten.
Gestern abend hat sich auch der SPD-Landesvorstand mit dem Umfragetief befaßt. „Wir lassen uns von Sonntagsfragen nicht nervös machen“, sagte Parteisprecher Frank Zimmermann im Anschluß. Das Zukunftsprogramm der Bundesregierung wirke „positiv auf die Stimmung“.
Unterdessen hoffen die Genossen, daß der Wahlkampf mit dem Parteitag am Wochenende endlich in Schwung kommt. „Wir werden einen Parteitag hinlegen“, frohlockte Strieder, „der auch äußerlich Professionalität signalisiert.“ Ralph Bollmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen