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Israels Religiöse dürfen mitregieren

Ehud Barak zimmert sich eine Koalition mit den kleinen Parteien. Der konservative Likud hatte zu große Ansprüche gestellt. Dafür werden es jetzt die weltlichen Politiker schwer haben  ■   Aus Jerusalem Susanne Knaul

„Glauben Sie ehrlich, daß das die Koalition ist, die sich die Mehrheit der Wähler gewünscht hat?“ fragte Tommi Lapid, Vorsitzender der antireligiösen Partei Schinui, den Chef der Verhandlungen um Israels kommende Regierungskoalition, David Libai. Lapids Sorge gilt den fast 30 Abgeordneten der künftigen Koalitionsparteien, die eine Kipa tragen, die jüdische Kopfbedeckung. Der erschöpfte Anwalt mußte eingestehen, daß das parlamentarische Kräfteverhältnis die Verhandlungen „außerordentlich schwierig“ machten. Immerhin seien zum ersten Mal in der Geschichte des Staates während der Koalitionsverhandlungen „weder Gelder verteilt worden noch Ämter für Regierungsbeamte“.

Mitte nächster Woche will Ehud Barak kurz vor Ablauf des Ultimatums die neue Regierung vorstellen. Wenn bis dahin nichts mehr passiert, werden acht Parteien in seinem Kabinett vertreten sein. Von insgesamt 120 Parlamentariern ist ihm die Unterstützung von 77 Mitgliedern der Koalitionsparteien sicher.

Lapid bleibt draußen, nicht weil er nicht eingeladen worden wäre, sondern weil er sein Versprechen, „auf keinen Fall mit der Schas“, einhält. Draußen bleibt ebenso der Likud. „Sie hatten so tun wollen, als seien sie die Wahlgewinner“, kommentierte Verhandlungsleiter David Libai den gescheiterten Dialog mit der Noch-Regierungspartei. Knackpunkt waren Differenzen in der Friedenspolitik. So forderte der Likud detaillierte Verfahrenspläne für den Fall, daß die Palästinenser die Verträge nicht einhalten. Bedingung des Likud war ferner die Verpflichtung Ehud Baraks, bei Friedensverhandlungen mit Syrien territoriale Kompromisse nicht bis an die Ufer des See Genezareths reichen zu lassen.

Die weltlichen Politiker in der Koalition müssen „im Namen des Friedens“ Abstriche machen. Mit Schas, ultraorthodoxe Partei der Sefarden (Juden aus arabischen Herkunftsländern), der Nationalreligiösen Partei und der ultraorthodoxen Partei der Aschkenasen (Juden europäischer und osteuropäischer Abstammung), mit Judentum und Thora werden Staatsbürgerrechte für eingewanderte Nicht-Juden oder zivile Eheschließungen kaum durchzusetzen sein. Die weltlich-linke Meretz wird den Kampf darum fortsetzen.

Deutliche Erleichterung ist indes bei den sogenannten Tauben in Baraks Bündnis „Ein Israel“ spürbar. Jossi Beilin, einst „Architekt“ der Osloer Friedensvereinbarungen, hatte das Zusammengehen mit Ariel Scharon, derzeit Likud-Vorsitzender, vehement abgelehnt. Scharon wiederum kündigte an, daß „wir in der Opposition sitzend die Regierung bekämpfen werden“. Die scheidende Regierungspartei besetzt jedoch nur noch 27 Plätze im Parlament.

Mit Blick auf die palästinensisch-israelischen Friedensverhandlungen kann es hingegen schon bald zu Konflikten innerhalb der Koalition kommen. Die zwei Fraktionen „Ein Israel“ und Meretz werden versuchen, den Prozeß schnell voranzutreiben, und Schas wird, wenn man den Erfahrungen vertrauen kann, sich dem nicht in den Weg stellen – es sei denn als Druckmittel. Die Nationalreligiöse Partei wird alles daran setzen, die Gebietsrückgabe im Westjordanland und Gaza-Streifen zu blockieren.

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