: Die Kistenschlepper stürmen das Reichstagsgebäude
■ Erster Containerzug mit Bundestagsgepäck traf in Berlin ein. Im Reichstag und einem Verwaltungsgebäude schleppten die Packer. Bis Ende Juli täglich nun 40 Containerladungen
Um 11.30 Uhr war alles vorbei. Die wertvolle Fracht hatten die schwitzenden Männer entladen und auf Rollen in das Innere des Reichstags transportiert. Dort verteilten Packer, gekleidet in rote T-Shirts mit dem Aufruck „Wir machen den Umzug“, die schweren Kisten auf die adressierten Räume. Am Ende schraubten die Spediteure noch ein paar Bürostühle fest. „Abmarsch“, sagte der Chef der Rothemden, und der Reichstag gehörte mittags wieder den Touristen.
Mit der Ankunft des ersten Containerzuges hat gestern der Einzug des Parlaments in Berlin begonnen. Der Zug mit 32 Containern war am frühen Morgen am Lehrter Güterbahnhof angekommen. Dort wurde seine Fracht auf sechs Sattelschlepper umgeladen. Per Konvoi rollten die Möbelwagen zum Osttor des Reichstages, wo 18 Kistenschlepper das Bonner Mobiliar in Empfang nahmen. Die für das Parlament bestimmten Container enthielten Akten und Mobiliar für den Ärztlichen Dienst des Bundestages sowie Schreibtische, Computer, Regale und Pflanzen für das Parlamentssekretariat und den Stenographischen Dienst. „Es ist optimal gelaufen“, sagte Roger Cloes, Chef der „Projektgruppe Steuerung Umzug Berlin“.
Insgesamt sollen nach Angaben des Umzugsmachers Cloes 32.000 Kubikmeter Umzugsgut des Bundestages von Bonn nach Berlin gebracht werden. Dabei komme nicht alles über die Schiene: Geheime Akten sollen mit bewaffnetem Begleitschutz nach Berlin transportiert werden, auch die Gewehre und Pistolen des Polizeilichen Dienstes reisen nicht mit der Bahn in die Hauptstadt, wie Cloes erklärte.
Doch nicht alles lief am ersten Umzugstag „optimal“: Zuerst verspätete sich der für 5.01 Uhr erwartete Güterzug um fast eine halbe Stunde – er war bereits am Abend vom Kölner Bahnhof nicht rechtzeitig gestartet. Und auch der erste Lastwagen am Ostportal des Reichstags mußte warten. Die Möbelpacker rückten um 7.30 Uhr mit Verspätung an. Das starke Sommergewitter hatte sie im Stau stecken lassen.
Während im Reichstag schon eingeräumt werden konnte, mußten die Möbelpacker am zweiten Ort des gestrigen Umzugs, in der Bunsenstraße 2, noch Kartons, Schreibtische, Schränke, Regale und Bilder in die Büros des Verwaltungsbaus schleppen. Dort residiert auch der Umzugsbeauftragte des Bundestages, Alfred Drescher. Laut Drescher soll der Wechsel an die Spree bis Ende Juli abgeschlossen sein, damit die 669 Abgeordneten am 6. September ihre Arbeit aufnehmen können. Neben Drescher hat im sechsten Stock des Hauses die „Projektgruppe Steuerung Umzug Berlin des Deutschen Bundestages“ ihr Quartier bezogen. In der von Cloes geleiteten Gruppe laufen alle Fäden zusammen. Bei ihm und seinen zehn Mitarbeitern ist jeder Abgeordnete, jeder Verwaltungsangestellte und jeder wissenschaftliche Experte samt Mobiliar im Computer erfaßt.
Der Rechner wisse genau, wo jeder der 46.000 Bücherkartons hingehöre, die in Berlin auf 2.705 Büros und 157 Säle in 18 Gebäuden untergebracht werden müssen, sagte Cloes. Bei Problemen, etwa „Wohin mit den Dienstfahrrädern?“ oder „Wir brauchen mehr Kartons!“, stünden Mitarbeiter am roten Telefon mit Rat und Tat zur Seite.
Daß ausgerechnet in Dreschers Etage die ersten „Irrläufer“ auftauchten, ficht den Umzugsmann nicht an. Im Gegenteil. Es sei „phantastisch“, was der Bundestag da auf die Beine stelle und mache jeden Tag neugierig, ob das alles klappt. Rolf Lautenschläger
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