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Die Würde des Huhns ist unantastbar

Das Bundesverfassungsgericht fordert mehr Platz für Hühner in Legebatterien. Bisher wurde das Tierschutzgesetz verletzt. Eine Anwendung der Entscheidung auf Altanlagen ist umstritten  ■    Aus Karlsruhe Christian Rath

Legehühner brauchen mehr Platz, als ihnen bisher in Deutschland zugestanden wird. Dies entschied gestern das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Damit hatte eine Klage des Landes Nordrhein-Westfalen Erfolg. Die Landesregierung hatte kritisiert, daß die rechtlichen Vorgaben für Legebatterien nicht dem deutschen Tierschutzgesetz entsprechen.

Derzeit gibt es in Deutschland rund 50 Millionen Legehühner, von denen etwa 90 Prozent in Käfigen gehalten werden. Nach der bis gestern geltenden deutschen Legehennenverordnung wird ihnen dabei nicht mehr als 450 Quadratzentimeter Platz garantiert – das ist deutlich weniger als ein DIN-A 4-Blatt. Die Hühner können sich in ihren Legebatterien also kaum bewegen. Hiergegen erhob 1990 das Land Nordrhein-Westfalen eine Normenkontrollklage und verwies auf das Tierschutzgesetz, das eine „artgerechte“ Unterbringung fordere.

Nach einer mündlichen Verhandlung im April gab das Bundesverfassungsgericht nun der Klage statt. Auch nach Ansicht der acht RichterInnen des Zweiten Senats ist die Legehennenverordnung nicht vom Tierschutzgesetz gedeckt und damit „nichtig“. Konkret bemängelten die RichterInnen, daß weder alle Hühner gleichzeitg fressen noch gleichzeitig schlafen könnten. Eine solche Beschränkung der Grundbedürfnisse von Tieren sei nach dem Tierschutzgesetz nicht möglich. Es sei auch nicht ersichtlich, so eine leicht sarkastische Bemerkung im Urteil, „daß es etwa dem artgemäßen Ruhebedürfnis einer Henne entsprechen könnte, gemeinsam mit anderen Artgenossinen auf- oder übereinander zu schlafen.“

Ab sofort können Legebatterien in Deutschland nur noch genehmigt werden, wenn pro Huhn mindestens 690 Quadratzentimeter vorgesehen sind. Soviel Platz braucht eine leichte Legehenne nach Karlsruher Berechnungen zum Schlafen. Diese Verschärfung der Genehmigungsanforderungen ist ein harter Schlag für die deutsche Eierwirtschaft. Denn vor der bereits beschlossenen Verschärfung des EU-Rechts wollten viele Unternehmen schnell noch neue Batterien nach altem Recht bauen.

Die im Juni beschlossene EU-Richtlinie sieht vor, daß ab dem Jahr 2003 keine Legebatterien mehr genehmigt werden dürfen. Bestehende Anlagen können noch bis zum Jahr 2012 betrieben werden. Dann darf es nur noch „ausgestaltete Käfige“ geben – mit Nest, Sitzstange, Scharrbereich und doppelt soviel Platz wie heute. Was das Urteil für bestehende Anlagen bedeutet, ist weniger klar. Das Verfassungsgericht selbst greift nicht in den „Bestandschutz“ der Eierproduzenten ein, weist aber ausdrücklich darauf hin, daß der Bestandsschutz nur im Rahmen bestehender Gesetze gilt.

Damit muß nun die Politik entscheiden, ob sie die bestehenden Genehmigungen zurücknimmt oder nachträgliche Auflagen macht. Unter Umständen ist dies nur gegen Entschädigung möglich. „In Nordrhein-Westfalen werden die Behörden Nachbesserungen verlangen“, sagte Umweltstaatssekretär Thomas Griese (Grüne), „damit haben die Länder auch ein gutes Druckmittel gegenüber dem Bund, damit dieser möglichst schnell eine neue und tierschutzgerechte Legehennenverordnung vorlegt.“ Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD) begrüßte das Urteil, verwies aber auf das EU-Recht. Az.: 2 BvF 3/90

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