: Öko-Jahr in Dorfidylle
■ Klassenlotterie finanziert Projekt zur Integration von ausländischen Jugendlichen
„Kükenbabys!“ jubeln Kinder mit schwarz-gelb karierten Kappen. Sie wollen unbedingt sehen, wie die kleinen Hühner gefüttert werden. Das riesige Schwein hebt wegen des plötzlichen Lärms den Kopf hoch. Eine dreiköpfige Eselfamilie grast auf einer Weide. Diese kleine Dorfidylle ist ein paar Meter von der Wiener Straße in Kreuzberg entfernt. Der Kinderbauernhof im Görlitzer Park ist ein beliebter Ausflugsort .
Miriam Roy hat alle Hände voll zu tun. Das 19jährige schmale Mädchen versorgt mit anderen Mitarbeitern des Kinderbauernhofs die Tiere, macht Ställe und den Hof sauber und und betreut die Kinder. Roy hat den Bewerbungschluß für ihre Ausbildung als Graphik-Designerin verpaßt. Sie wollte die Zeit aber „sinnvoll überbrücken“. Deshalb bewarb sie sich für das Freiwilige Ökologische Jahr.
Miriam Roy ist eine Teilnehmerin des Pilotprojekts im Rahmen des Freiwiligen Ökologischen Jahres von der Stiftung für Naturschutz Berlin. Das Projekt hat 45 Plätze, davon sind die Hälfte für Jugendliche ausländischer Herkunft vorgesehen. Seit dem 1. September 1998 arbeiten die jungen Frauen und Männer im Umweltbereich, zum Beispiel auf dem Kinderbauernhof oder in Kindertagesstätten.
„Zu Beginn waren Jugendliche ausländischer Herkunft kaum vertreten“, sagt der Leiter des Pilotprojektes, Bernd Kuhlmann. „Der Umweltschutz ist für sie kein Thema, nicht in den Familien, nicht in ihren Medien“, erklärt er. Zwei Ziele strebt das Projekt an: Junge Leute werden ökologisch qualifiziert und gleichzeitig sozial integriert. Durch die Grundfinanzierung der Stiftung Deutscher Klassenlotterie mit etwa einem Drittel der benötigenden Mittel, deren zweite Rate erst kürzlich genehmigt wurde, kann das Freiwillige Jahr weiterlaufen. Die Kofinanzierung läuft über den Europäischen Sozialfonds und das Bundesministerium für Jugend. Das einzigartige Pilotprojekt für die Bundesrepublik hat ein Fördervolumen von zwei Millionen Mark und läuft insgesamt drei Jahre.In Berlin gibt es 103 Jugendliche, die am Ökologischen Jahr teilnehmen.
Miriam ist halb Deutsche, halb Inderin. Mit „Integration“ hat sie überhaupt keine Probleme, sagt sie selbst. Anders die 22jährige Türkin Vesile Ünsal, die auch teilnimmt. Seit acht Jahren lebt sie in Deutschland. Ünsal wollte immer arbeiten.Sie betreut Kinder in einer Kita in Prenzlauer Berg. „Mein Mann meinte zu mir, ich könnte es nicht schaffen. Aber dagegen war er nicht“, erzählt sie. „Ich bin sehr selbstbewußt geworden. Ich weiß jetzt viel mehr, und die Leute hören mir zu.“ Die junge Frau ist sehr zufrieden mit ihrer Arbeit. Deutsch lernen will sie weiterhin, zusammen mit ihrer kleinen Tochter. „Ich fürchte mich, daß dieses Jahr bald zu Ende ist“, sagt Ünsal. „Aber eins weiß ich genau, ich werde auf jeden Fall etwas machen – lernen oder arbeiten.“ Nino Ketschagmadse
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