piwik no script img

Querspalte

■ Merkwürdiges Hamburg

Scheiß Bullen, ey! Am Wochenende wollte ich ein rundes Jubiläum feiern, nämlich meine erste Demo seit zehn Jahren. Aber die Polizeiführung im rot-grünen Hamburg ließ mich nicht. Sie erklärte einige Straßen am östlichen Stadtrand für einen Nachmittag zum Paradiese für Nazis – und unterband jeglichen Protest mit gesunder rot-grüner Härte. So blieb nicht viel mehr, als sich hinter die mit aller Polizeimacht verteidigte Absperrung zu stellen und zu gucken, ob Nazis so sind, wie sie uns die Infotainer immer zeigen.

Obwohl es im Schatten 28 Grad warm war, trugen manche Nazis Leder- und Bomberjacken – vielleicht aus Solidarität mit ihren Freunden und Helfern, die unter ihren Helmen literweise Doofmänner-Dooffrauen-Schweiß vergossen. Diese revanchierten sich freundlich und ließen die 600 Braunen brüllen, was sie in zivilisierteren Gegenden als dem rot-grünen Hamburg nicht ungestraft brüllen dürfen: „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ und „Rudolf Heß – Märtyrer des Friedens“. O Mann, dachte ich, das wird ja noch ein richtig geiler Skandal, mit Innensenator-Rücktritt und allem Drum und Dran. Wird aber wohl nichts draus. Bei Redaktionsschluß war der Bursche noch im Amt.

Teilweise gaben die Nazis Rätsel auf, etwa mit einem Transparent „gegen die imperialistische One-World-Ideologie“. War Hitler denn nicht auch ein imperialistischer One-World-Ideologe? Sogar witzig wollten sie sein und riefen „Nazis raus aus dem Knast“. Sitzen im rot-grünen Hamburg noch Nazis im Knast?

Vielleicht lag es an den Temperaturen, jedenfalls zeigten manche Schaulustige Symptome der Verwirrung. So trat einer mehrmals einen halben Meter aus der Zuschauerfront heraus, reckte sein Becken nach vorn Richtung Nazi-Mob, simulierte hektisch autoerotische Aktivitäten. Was schert den das Sexleben von Nazis? René Martens

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen