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„Verschlüsseln, wo immer es geht“

■ Mehr Werbung für die Codierung von Telefondaten fordert der Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein. Helmut Bäumler ist Spezialist für Geheimdienste und Telekommunikation

taz: Herr Bäumler, wenn ich Sie im Ausland anriefe, würden wir dann vom Bundesnachrichtendienst abgehört?

Helmut Bäumler: Die Wahrscheinlichkeit wäre auf jeden Fall höher als bei einem Inlandstelefonat. Denn wir wüßten nicht, ob wir schon ein Wort verwendet haben, das ein Suchbegriff ist, so daß wir ins Raster geraten wären.

Der BND darf nur Daten an die Polizei weitergeben, wenn ein Verdacht auf eine Straftat vorliegt. Ist diese Anordnung des Verfassungsgerichts ausreichend zum Schutz der Bürger?

Nein, obwohl sie wichtig ist. Aber man muß das Problem grundsätzlich angehen. Zum einen soll in Deutschland durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz systematisch ein Geheimdienst für die Strafverfolgung eingespannt werden. Das ist ein Verstoß gegen das Trennungsgebot, denn Verbrechensbekämpfung ist Sache der Polizei. Zum anderen erstrecken sich einmal mehr die staatlichen Beobachtungsmöglichkeiten auf jedermann. So kommen wir weg von dem Grundsatz, daß man einen Verdacht auf eine Straftat braucht, um Maßnahmen einzuleiten. Das sind grundsätzliche, rechtsstaatswidrige Designfehler, die durch die Anordnung nicht behoben werden.

Wie sollte im Idealfall das Karlsruher Urteil ausfallen?

Der Grundsatz, den BND von vornherein in die Strafverfolgung einzuschalten, sollte aufgehoben werden. Allenfalls sollte man es dem BND ermöglichen, Daten weiterzugeben, auf die er bei der Erfüllung seiner Aufgaben stößt, und die erkennbar strafverfolgungsrelevant sind.

Laut BND werden täglich nur 700 Telefonverbindungen ins Ausland überprüft. Die Zahl erscheint nicht sehr hoch.

Das ist tatsächlich nicht allzu viel. Aber das ist kein durchschlagendes Argument. Denn die Technik schreitet so rasant fort, daß wir nicht wissen, welche computergestützten Abhörmöglichkeiten morgen vielleicht schon zur Verfügung stehen. Dazu kommt noch die psychologische Wirkung von Überwachungsmaßnahmen. Es kommt nicht darauf an, wie oft man tatsächlich abgehört wird, sondern daß die Möglichkeit besteht und daß man nicht vorhersehen kann, ob man betroffen ist, selbst wenn man mit Straftaten nicht das geringste zu tun hat. Da verändert sich etwas im Verhältnis der Bürger zum Staat. Für die angstfreie, souveräne Wahrnehmung von Grundrechten hat das eine verheerende psychologische Wirkung.

Was müßte die Politik für einen besseren Schutz tun?

Es ist eine Frage der Grundrechte. Wir begreifen die Grundrechte bislang als Abwehrrechte des einzelnen gegen den Staat. Aber wenn der Staat die Telekommunikation privatisiert, wandelt sich der Charakter eines solchen Grundrechts. Der Staat muß uns so schützen, daß auch in privaten Netzen nicht abgehört werden kann. Da hat die Bundesregierung mit ihrer neuen Verschlüsselungspolitik einen ersten, ganz wichtigen Schritt getan, indem sie darauf verzichtet, die Verschlüsselung einzuschränken. Dem müssen Taten folgen. Die Bürger müssen ermuntert werden, ihr Grundrecht technisch zu schützen. Man muß Verschlüsselung propagieren, wo immer es geht.

Interview: Jutta Wagemann

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