: Deutscher Städtetag: Eichel mogelt
■ Eichel und Schröder treffen Kommunen. Finanzminister sieht „langfristige Entlastungen“ durch Sparpaket und Steuerreform
Berlin (taz) – Die Fronten sind klar: Der Finanzminister will sparen – die Städte und Gemeinden dagegen wollen nicht die letzten in der Kette sein und für die Kosten geradestehen. Durch Sparpaket und Steuerreform würden die Kommunen mit 3 bis 4 Milliarden Mark belastet, klagen die kommunalen Spitzenverbände seit Wochen und sprechen von einer „ungerechten Lastenverschiebung“. Das Bundesfinanzministerium hat ihre Forderungen nach Ausgleichszahlungen zurückgewiesen, denn, so Hans Eichels Argument, langfristig würden die Kommunen entlastet. Heute werden sich der Finanzminister und Bundeskanzler Schröder in Bonn erstmals mit den Präsidenten der drei großen Verbände, Deutscher Städtetag, Deutscher Städte- und Gemeindebund und Deutscher Landkreistag, zusammensetzen.
Die Belastungen seien sehr konkret, erklärte Volker Bästlein, Sprecher des Städtetages, gegenüber der taz. Die Entlastungen, von denen Eichel spreche, seien hingegen sehr vage. „Das wollen wir genauer wissen.“ Sparen auf Kosten der Kommunen sei keine Konsolidierung, sondern eine „Mogelpackung“, hatte schon im Juni der Präsident des Deutschen Städtetages, der Saarbrücker Oberbürgermeister Hajo Hoffmann (SPD), kritisiert.
Dem Städtetag mißfällt dabei besonders, daß die Kommunen nach Eichels Plänen das Wohngeld für Sozialhilfeempfänger vom Bund übernehmen sollen. Allein durch diese Maßnahme entstünden bis zu 2,3 Milliarden Mark zusätzliche Kosten. Ob die Länder hier mit einspringen, ist noch unklar.
Mehrkosten von einer Milliarde werden zudem durch Kindergeldzahlungen aus dem neuen Familienleistungsgesetz erwartet. Mit 200 Millionen wird außerdem der Unterhaltsvorschuß für Alleinerziehende zu Buche schlagen, den die Gemeinden künftig mitfinanzieren sollen. Hinzu kämen höhere Sozialhilfeausgaben wegen der Sparmaßnahmen bei Arbeitslosen.
Auch die Ökosteuer bereitet den Kommunen Sorge. Der öffentliche Nahverkehr werde in den Jahren bis 2003 mit 800 Millionen belastet. Für Busse und Bahnen müsse eine Sonderregelung getroffen werden, so die Forderung der Spitzenverbände. Mit Eichels Zukunftsprogramm sei eine solide Finanzplanung nicht mehr möglich, argumentiert Heribert Thallmair, Präsident des Städte- und Gemeindebundes und CSU-Bürgermeister von Starnberg, einer der reichsten Städte in Deutschland. Die Folge: Investitionen würden zurückgestellt.
Die Kommunen erhoffen sich aus den Gesprächen, daß die geplanten Kostenverschiebungen nicht umgesetzt werden oder daß sie zumindest Ausgleichszahlungen erhalten. Und sie erwarten Auskunft, wo die versprochenen Entlastungen konkret sind, die die Mehrausgaben kompensieren könnten.
Eichels Argumentation dagegen lautet so: Die Städte und Gemeinden haben im Moment genug Geld, und letztlich profitieren sie von dem Zukunftsprogramm. Warum? Antwort: Langfristige Effekte seien weniger Sozialhilfe, mehr Wirtschaftswachstum und geringere Personalkosten. Aus dem reinen Sparprogramm würden Länder und Kommunen zusammen in den Jahren 2000 bis 2003 mit durchschnittlich rund 250 Millionen entlastet. Beim steuerlichen Subventionsabbau nehme die Entlastung sogar von 700 Millionen Mark im nächsten Jahr auf knapp sechs Milliarden Mark im Jahr 2003 zu.
Das Finanzministerium sieht deshalb keinen Grund für Nachbesserungen. Wenn es doch zu Mehrbelastungen der Kommunen komme, sei dies Ländersache, dann müßte der kommunale Finanzausgleich neu geregelt werden, erklärte eine Sprecherin des Ministeriums gegenüber der taz. Der bayrische Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU) warf der Bundesregierung hingegen vor, mit „Luftbuchungen“ zu operieren. Georg Gruber
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