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Genosse Fikentscher zieht in den Kampf

■ Wie Sachsen-Anhalts SPD-Chef Kanzlerkritiker Klimmt beisprang und damit prominent wurde

Berlin (taz) – Wer um alles in der Welt ist Fikentscher? Im Saarländischen Rundfunk ist er am Donnerstag morgen plötzlich aufgetaucht und hat dem Kanzlerkritiker Reinhard Klimmt ein bißchen beigepflichtet. Dann hat die Deutsche Presse-Agentur den Mann einen „prominenten Sozialdemokraten“ genannt, der den Ministerpräsidenten Klimmt in Schutz nimmt. Schließlich wurde Fikentscher in allen Fernsehnachrichten präsentiert. Die Botschaft: Klimmt kämpft nicht alleine gegen Schröder!

Daß Rüdiger Fikentscher dieser Tage so gern interviewt, zitiert und weitergereicht wird, hat vor allem einen Grund: Viele „prominente Sozialdemokraten“ gibt es nicht, die öffentlich etwas gegen die Thesen des Kanzlers sagen. Richtig reingehauen hat nur Klimmt. Sachsen-Anhalts Regierungschef Reinhard Höppner fällt an Schärfe etwas ab, die Altgenossen Hans-Jochen Vogel (73) und Erhard Eppler (72) an Bedeutung. Aber Fikentscher (58) ist immerhin Landeschef der SPD in Sachsen-Anhalt und Vorsitzender des Parteirats der Bundes-SPD.

Wer Rüdiger Fikentscher dieser Tage anruft, bekommt nicht den Eindruck von einem mediengeilen Großsprecher. „Natürlich kommt das Thema vor allem in der nachrichtenarmen Zeit hoch“, beschwichtigt er. Es sei aber kein Sommertheater. „Programmdiskussionen sind eben immer auch inhaltliche Kämpfe.“ Das Wort Kämpfe in einem positiven Zusammenhang ist schon erstaunlich. Die anderen SPD-Spitzenleute mögen so etwas gar nicht hören. Bloß nicht die Partei auseinandertreiben! Ihm wäre auch eine interne Diskussion lieber, sagt dagegen Fikentscher. Aber: „Ich verstehe, daß Klimmt auch in der Öffentlichkeit gegenhalten will.“

Fikentscher kann das sagen. Liebesentzug der Bundesregierung braucht er nicht zu fürchten – im Gegensatz zu anderen, die gerne meckern würden. Fikentscher sitzt nicht in Berlin. Er steht nicht im Wahlkampf. „Daß einige Angst haben, glaube ich nun gerade nicht. Aber daß die SPD ein zerstrittenes Bild abgibt, kann im Wahlkampf niemand brauchen.“

Fikentscher hat seine Position selten aus taktischen Gründen verschwiegen. 1989 trat der HNO-Arzt in Halle dem Neuen Forum und kurz darauf der Ost-SPD bei. Fünf Jahre später war es ihm egal, was die Bundes-SPD sagte, und er trat mit Höppner für das „Magdeburger Modell“ ein. Letztes Jahr war der Druck aus Bonn wieder groß, nicht mit der PDS zu kooperieren. Fikentscher und Höppner erklärten Schröders Wahlkampfmanager Hombach einen halben Tag lang, „daß im Osten die Uhren anders gehen“. Georg Löwisch

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