Die PDS will auch „modern“ sein

■ Gysi redet vom „modernen Sozialismus“, Brie will der SPD „entgegenkommen“. Parteilinke: fast wie Schröder/Blair-Papier

Berlin (dpa/taz) – Nun hat auch die PDS das Zauberwort „modern“ für sich entdeckt. Fraktionschef Gregor Gysi will morgen ein Thesenpapier zum „modernen Sozialismus“ vorstellen. Darin geht es vor allem um Kurskorrekturen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Der Spiegel zitiert aus dem Papier, das als „notwendige Antwort“ auf das Reformpapier von Kanzler Gerhard Schröder und Großbritanniens Premier Tony Blair gedacht sein soll.

Gysi verweist auf die Errungenschaften der Sozialdemokratie und warnt, diese leichtfertig einer neoliberalen Politik zu opfern. Unter anderem plädiert Gysi dafür, Unternehmen, die ihre Gewinne wieder in den Betrieb stecken, steuerlich besser zu stellen, als die, die sie in private Haushalte abführen. Bei Tarifverhandlungen sollten nicht Lohnerhöhungen im Vordergrund stehen, sondern flexible Arbeitszeitregelungen und betriebliche Mitbestimmung. Auch den Staat will der PDS-Fraktionschef zurückdrängen: „Eine Reihe öffentlicher Dienstleistungen kann durch staatseigene Betriebe in ihrer bisherigen Form offensichtlich nicht effizient gewährleistet werden.“ Gysi stellt eine weitere heilige Kuh in Frage: Die soziale Grundsicherung könne im Alter „keine vollständige Absicherung des im Erwerbslebens erreichten hohen Lebensstandards sein“. Wer als Rentner gut leben wolle, müsse eben selbst vorsorgen.

Auch der Europaabgeordnete der PDS, André Brie, der bis Herbst als Wahlkampfleiter fungiert, befürwortet den Schmusekurs. Schröders Kurs der „Neuen Mitte“ fordere geradezu eine PDS, „die zum Teil klassisch sozialdemokratische Themen aufnimmt“, sagt er der Berliner Morgenpost. Es gehe darum, SPD/CDU-Koalitionen in Thüringen und Brandenburg zu verhindern, dafür würde die PDS der SPD „schon sehr weit entgegenkommen“, sagte Brie. In den Wahlprogrammen der PDS finde sich aber teils noch ein „Warenhauskatalog von allem Schönen und Edlen“. Realismus, Finanzierbarkeit und Wechselwirkungen seien völlig unterbelichtet.

Die Reaktion auf die Ankündigung des Gysi-Papieres waren gespalten. Rolf Kutzmutz, wirtschaftspolitischer Sprecher der PDS-Fraktion im Bundestag, sagte, diese Positionen seien so neu nicht, neu sei aber die Gewichtung. Daß man die Grundrente bei Menschen mit genügend hohem Einkommen durch eine private Altersvorsorge ergänze, halte er für einen guten „pragmatischen Kurs“. Die stellvertretende Vorsitzende der PDS-Fraktion, Christa Luft, meldete ebenso Diskussionsbedarf an wie der Vertreter des Marxistischen Forums, Uwe-Jens Heuer: „Die Ausschnitte, die bekannt sind, scheinen mir zur Abgrenzung vom Schröder/Blair-Papier nicht geeignet. Denn die stimmen mit dem SPD-Papier ja fast überein.“ Nur Sahra Wagenknecht, Vertreterin der Kommunistischen Plattform der PDS, fand deutlichere Worte: Wenn sich die Sozialdemokratie auf CDU-Kurs begeben habe, dürfe ihr nun nicht ausgerechnet die PDS folgen. Heide Oestreich

In den Parteiprogrammen der PDS findet sich ein Waren- hauskatalog von allem Schönen und Edlen