: Der Wahrheitswert von Kaffeesatz
■ Justiz als Metapher für bürokratische Verbrechen: „Duell der Richter“ (20.15 Uhr, ARD)
Die Zeiten, in denen kriminelle Vermögen unter Gefahr für Leib und Leben erwirtschaftet wurden, sind vorbei. Gangster verschieben Millionen per Mausklick und unterscheiden sich von den Ehrbaren weder durch Tattoos noch Anzugsmarke. Ebenso vorbei sind die Tage, in denen über der Moral der Justiz nur noch das Jüngste Gericht stand, weil die irdische Instanz ihren Job unter solcher Seelenpein erledigte, dass am Ende nur eines herauskommen konnte: die Wahrheit und nichts als die Wahrheit.
Dass ein Schiedsspruch nicht zwangsläufig mehr Wahrheitswert hat als Kaffeesatz, ist im Leben wie im Kino längst bekannt. Im Fernsehen dagegen nehmen sich die Talarträger meist so todernst, als müssten sie Sitte und Anstand täglich neu erfinden. Mit eigentümlichem Instinkt wittern sie sofort, wo es ungesetzlich müffelt. Das Gericht ist dem TV („Ehen vor Gericht“, „Verkehrsgericht“ o. ä.) nicht nur Ort der Wahrheitsfindung, sondern zugleich eine beliebte Bühne für bürgerliche Trauerspiele, in denen mehr als Unterhalt und Blechschäden verhandelt werden. Wer hier verzweifelt, verzweifelt an den Folgen der Emanzipation, der antiautoritären Erziehung und einer Gesellschaft aus Parasiten, Unfallflüchtigen und überhaupt recht Ungezogenen.
Umso angenehmer also, wenn wie in „Duell der Richter“ (Buch: Fred Breinersdorfer, Regie: Jobst Oetzmann) die Justiz ebenfalls verkommen ist und als Metapher für das bürokratische Verbrechen taugt. Wer hier Recht spricht, tut das mit dem kühlen Pragmatismus, mit dem auch andere gut bezahlte Serientäter an die Arbeit gehen. Mit wahrer Leidenschaft und ohne jede finanzielle oder karrieristische Absicht ist hier nur der vermeintliche Täter dabei: ein Feuerteufel, der sich beim Anblick hoher Flammen einen runterholt – bis die Polizei kommt. Eine Frau und ein Kind sind in den Flammen umgekommen. „Ganz langsam ist es verbrannt, von den Füßen hoch und bei vollem Bewusstsein“, betont die Gerichtsmedizinerin und deckt das absurd verzogene Aschewesen wieder zu. „Fechterstellung“, lernen wir, „ist eine durch Hitze bedingte Schrumpfung der Beugemuskeln.“
Diese Leichenhaltung findet sich im Film auch bei den Lebenden wieder. Bei der fechtenden Richterin Constanze Adler vor allem, die Nina Petri als wunderbar spröden Karriere-Zombie mimt, der mit der Verteidigung ins Bett geht. Und für den eigenen Aufstieg wird ganz legal mit Aussagen, Anträgen und Vergleichen geschachert. Schließlich will Adler Gerichtsvorsitzende werden. Wie ihr Kollege Wosil (Rudolf Kowalsi), der sich mit diesem Fall zugleich spätödipal an seinem Nazi-Vater abarbeitet. Um Opfer geht es nicht. Ein bisschen Gemenschel gibt es nur am Anfang, wenn die Kamera schreiende Frauen und herumirrende Kinder im Qualm zeigt. Ein unbeholfener Auftakt, als habe der Film Bammel, so menschenfern und kühl wie seine Protagonisten auszufallen.
Böse und ehrlich wird es erst später. Wenn zum Beispiel eines abends die Ehefrau den müden Richter-Gatten fragt, ob der Angeklagte die Brandleichen denn nun auf dem Gewissen habe oder nicht, und mit einem „Das interessiert doch den BGH nicht“ abgewatscht wird. Das kommt direkt aus dem Leben und seinen schmierigen Geschäften. Birgit Glombitza
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