: Kuhhandel um Pinochet
■ Menschenrechtsgruppen befürchten die straflose Rückkehr des Diktators nach Chile. Spanien prüft, ob es den Antrag auf Auslieferung Pinochets zurücknimmt
Madrid/London (taz/epd) – Der Fall Augusto Pinochet sorgt für erhebliche Aufregung: Aus Madrid wird berichtet, dass die Regierungen Spaniens und Chiles angeblich über eine „freundschaftliche außergerichtliche Schlichtung“ verhandeln. Oppositionspolitiker und Menschenrechtler üben scharfe Kritik. Sie fürchten, dass der frühere chilenische Diktator dann niemals wegen Folter und Mord unter seiner Herrschaft (1973 bis 1990) vor Gericht kommen wird. Für amnesty international wäre das „eine Verhöhnung“ der Folteropfer und des internationalen Rechts.
Spanien und Chile haben Berichte über bilaterale Geheimverhandlungen offiziell jedoch als falsch zurückgewiesen. „Wir bestreiten dies energisch“, ließ Außenminister Abel Matutes gestern in Madrid mitteilen. Sein chilenischer Amtskollege Juan Gabriel Valdes sagte der BBC in London, die Kontakte seien völlig offen gewesen. Es könne keine Rede davon sein, dass sein Land hinter den Kulissen Druck ausgeübt habe. Matutes machte aber auch klar, dass Spanien grundsätzlich bereit ist, im Fall Pinochet den Antrag Chiles auf ein außergerichtliches Schiedsverfahren zu prüfen. Chile will erreichen, dass Spanien das Auslieferungsbegehren fallen lässt und Pinochet in seine Heimat zurückkehren kann. Seit Mitte Oktober 1998 wird der 83-jährige General im Ruhestand auf Grund eines spanischen Haftbefehls in Großbritannien festgehalten. Am 27. September soll das Auslieferungsverfahren vor einem Londoner Gericht beginnen.
Baltasar Garzón, der für den Auslieferungsantrag zuständige spanische Richter, reagierte mit einem Schreiben an Außenminister Matutes, in dem er „dringlich Aufklärung“ der vom Minister eingeleiteten Maßnahmen fordert. In ungewöhnlich scharfen Worten bezeichnet der „Starrichter“ die Bemühungen zu einer außergerichtlichen Lösung als „Einmischung“ und „Angriff auf die Unabhängigkeit der Gerichte“. Sollten Zeitungsmeldungen zutreffen, wonach Kopien der Gerichtsakte an das chilenische Außenministerium geschickt wurden, droht der Richter „weitere Schritte“ an.
Spaniens konservative Regierung hatte gehofft, mit Einverständnis der sozialistischen Opposition (PSOE) unter Hinweis auf „übergeordnete Staatsinteressen“ den Auslieferungsantrag zurücknehmen zu können. Oppositionschef Joaquin Almunia lehnte das empört ab, wodurch der Vorstoß bekannt wurde und scheiterte.
Kai Ambos, Lateinamerika-Experte im Max-Planck-Institut für internationales Strafrecht in Freiburg, sieht keine Rechtsgrundlage für eine „zwischenstaatliche Schlichtung“. Als „politisches Schlupfloch“ bleibe noch eine Freilassung „aus humanitären Gründen“. In Chile hat Pinochet wenig zu fürchten. Sein Regime wird zwar für den Mord an rund 3.000 Menschen und die Folterung vieler tausender verantwortlich gemacht. Doch vor Strafe schützt weitgehend ein Amnestiegesetz. Kürzlich hatte der Oberste Gerichtshof allerdings entschieden, dass das „Verschwindenlassen“ nicht unter die Amnestie falle. Nach offiziellen Angaben „verschwanden“ in Chile 1.198 Männer und Frauen. Nur von 100 konnten die sterblichen Überreste identifiziert werden. jm/gb
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