: Strippenzieher im Münchner Kreml
■ Bayerns Justizminister Sauter will nicht für seinen Chef den Sündenbock abgeben. Doch womöglich wird Ministerpräsident Stoiber ihn opfern, um seine eigene Haut zu retten
Berlin (taz) – „Die besten Leberkässemmeln gabs bei einem Chinesen“, erinnert sich Bayerns Justizminister Alfred Sauter an seine Studienzeit in München. Mit seinem Freund Peter Gauweiler machte er mittags immer Brotzeit. Dabei beschlossen die beiden, gemeinsam eine Anwaltskanzlei zu eröffnen, in der CSU waren sie schon während ihrer Studienzeit aktiv. Heute hat der eine seine politische Karriere schon hinter sich: Mit Peter Gauweiler, der bis zum Umweltminister aufstieg, schmückt sich die CSU nur noch, wenn sie einen rechten Scharfmacher auf Parteitagen braucht. Nun hat offenbar auch der 49jährige Sauter, der erst im vergangenen Oktober zum Justizminister berufen wurde, seinen politischen Zenit überschritten.
Der Minister steht wegen massiver Verluste der Landeswohnungs- und Städtebaugesellschaft Bayern (LWS) unter Beschuss. Als Aufsichtsratsvorsitzender hätte er zwischen 1993 und 1998 die Misswirtschaft des staatlichen Unternehmens in den Griff bekommen müssen, kritisierte die Opposition. 367 Millionen Mark wurden größtenteils durch riskante Bauträgergeschäfte in Thüringen und Sachsen in den Sand gesetzt.
Stoiber, der die Expansion in die neuen Bundesländer in seiner Zeit als Innenminister gegen die Warungen des Finanzministeriums durchgedrückt hatte, scheint bereit, für das Debakel seinen Justizminister zu opfern – auch aus Ärger, so wird erzählt, weil er sich auf ihn zu sehr verlassen habe. So hatte Sauter im März 1997 in einem Brief an den Ministerpräsidenten die vorhandenen Finanzprobleme detailliert geschildert, gleichzeitig aber ein optimistisches Bild gezeichnet: „Die LWS ist überlebensfähig, sie hat das interne und marktmäßige Potential, um bald wieder in die schwarzen Zahlen zu kommen.“ Das Unternehmen habe „fähige Projektleiter im Management“ und werde „voraussichtlich schon 1998 den 'turn around‘ geschafft haben“. Das Gegenteil war der Fall: 1998 schrammte die LWS knapp am Konkurs vorbei. Schuld will keiner sein. Sauter gibt an, von der Geschäftsführung nicht korrekt informiert worden zu sein. Stoiber gibt zu, die Kursänderung veranlasst zu haben – für die Misserfolge im Bauträgergeschäft will er jedoch nicht verantwortlich sein.
Damit schiebt der Ministerpräsidenten ausgerechnet seinen langjährigen Intimus Alfred Sauter in die Schusslinie. Schon im Kampf um die Nachfolge von Franz Josef Strauß unterstützte Sauter den späteren Sieger Edmund Stoiber. Den kürzeren zog damals Theo Waigel. In seiner Heimat ist der Schwabe Sauter darum nicht sonderlich beliebt, denn Schwaben ist Waigel-Land. Bei den Wahlen zum CSU-Bezirksvorstand im vergangenen Juni erhielt Sauter nur 115 von 154 Stimmen. Für CSU-Verhältnisse eine Misstrauensbekundung. Wahlen laufen dort meist so ab wie früher in der SED: Man könnte auch einen Besenstiel aufstellen.
Sauter stellte sich frühzeitig auf Stoibers Seite, weil er glaubte – so wird in CSU-Kreisen nicht ohne Häme kolportiert –, dass er auf diesem Wege schneller etwas erreichen könne. Aus dem angestrebten Ministeramt wurde indes lange nichts. So viel Einfluss hatte Theo Waigel dann doch noch, dass er anstehende Berufungen mehrmals verhindern konnte. Der ehrgeizige Sauter erhielt schon den Titel „ewiger Staatssekretär“, bis nach dem Wahldebakel der Union im September letzten Jahres für ihn die große Stunde kam. Waigel war Wahlverlierer, Stoiber die unumschränkte Nr. 1 der CSU. Und Stoiber berief seinen Intimus – zum Justizminister.
Organisator und Macher sind die positiven Bezeichnungen, die in CSU-Kreisen über Sauter im Umlauf sind. Andere sagen, er sei ein Strippenzieher, ein cleverer Taktierer, ein Intrigant, einer, der selten geradeheraus zu seinen Überzeugungen stehe. Die Gegner des Justizministers sind sich in der CSU so einig, dass sie Reportern gerne mit Bosheiten behilflich sind. Sauter trete auf wie einer, „der vermitteln will, dass die Leute Respekt vor ihm haben“, spottet ein CSU-Landtagsabgeordneter. Wenn einem, der sich gerne als Manager darstelle, eine solche Affäre unterlaufe, würden sich viele freuen: „Schau an, der Macher kocht auch nur mit Wasser.“
Nachdem lange Zeit Sauter als Bauernopfer für die Oppostion gehandelt wurde, rücken seit Ende Juli immer mehr die Verwicklungen des Ministerpräsidenten in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Manche in de CSU gehen jetzt sogar so weit, hinter dieser Verlagerung des öffentlichen Interesses wieder den Strippenzieher Sauter zu vermuten, der sich so aus der Schusslinie ziehen konnte. „Sauter hat nicht ein Übermaß an Freunden“, heißt es aus der Landtagsfraktion, „auch nicht im Kabinett.“ Wenn einer Karriere macht, dann hinterlässt das Spuren. In der CSU gelte, die Steigerung von Todfeind sei Parteifreund.
Trotz des Zerwürfnisses zwischen Stoiber und Sauter sollte der Justizminister noch nicht abgeschrieben werden. Sauter hat schon mehrmals erklärt, er werde sich nicht zum nicht Fußabstreifer machen lassen. Bevor er nach Griechenland in den Urlaub entschwand, zeigte er sich demonstrativ solidarisch: Stoibers Entscheidung Anfang der 90er Jahre, mit der LWS in die neuen Bundesländer zu gehen, sei richtig gewesen. Der Ministerpräsident ist da weniger großmütig. Er ließ seinen Justizminister nach der letzten Kabinettssitzung im Regen stehen: Es sei im Nachhinein betrachtet „sicherlich ein Fehler“ gewesen, „auf die Lösungskompetenz der Fachleute im Management und Aufsichtsrat“ vertraut zu haben.
Die rot-grüne Opposition ist an Sauter als Sündenbock nicht sonderlich interessiert. „Die Staatsregierung ist der Entsender des Aufsichtsrats Sauter“, meint die grüne Haushaltsexpertin Emma Kellner, die Sauter als „Stoiberist“ und Hardliner charakterisiert. Auch der finanzpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Johannes Strasser, sieht in Stoiber, „der im Münchner Kreml jede Kleinigkeit zur Chefsache macht“, den Hauptverantwortlichen für die bayerischen Millionenverluste.
Ein Untersuchungsausschuss im Herbst soll Einblick in alle Akten bringen und aufklären, wer wieviel wusste und ob der Konkurs im letzten Jahr aus wahltaktischen Gründen verhindert wurde. Die Aura der Lichtgestalt Stoiber, des fehlerlosen Vorsitzenden und potentiellen Schröder-Herausforderers, hat schon jetzt gelitten. In Umfragen in Bayern liegt Stoiber jedoch weiterhin vorn: Laut infratest dimap überflügelte er auf der Beliebtheitsskala sogar Franz Josef Strauß. Georg Gruber
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