: Vom harmlosen Ausflug zur Exkursion
■ Da strampeln die Beine und der Grips: Zwei Neuerscheinungen über den Weser-Ems-Raum
Sie werden immer häufiger und immer spezieller: Bücher, die unerfahrenen AusflüglerInnen mehr an die Hand geben als nur stumpfe Tourenbeschreibungen à la: „hinter dem Ortsausgang rechts am Friedhof entlang sieben Kilometer geradeaus bis ...“
Zwei schöne – und dabei ganz unterschiedliche Beispiele dafür, wie aus dem Ausflug in die Natur mehr werden kann als frische Luft und Grün tanken, liefern jetzt die Neuerscheinungen des Oldenburger Isensee- und des Stuttgarter Eugen Ulmer Verlags*. Deren Vorschläge für Touren in die Region lassen Wanderungen oder Radausflüge zu echten Kulturerlebnissen werden – bei denen manchmal allerdings nicht nur die Beine, sondern auch der Grips strampeln müssen.
So wiegen die 250 Seiten des Hardcovers „Nordwestdeutsches Tiefland“ von Richard Pott (Ulmer Verlag) nicht nur im Rucksack schwer. Schon beim ersten Blättern durch die anschaulich mit Fotos, Grafiken und Landkarten übersichtlich gestalteten Kapitel fällt auf, dass der Autor ein Spezialist seines Faches ist; ein Professor am hannoveraner Institut für Geobotanik. Hervorhebungen wie „Fluvatile und äolische Wirkungen“ allerdings – im Laiendeutsch einfach Einflüsse von Wind und Wasser – erschweren „interessierten Laien“ an die sich das Buch ebenso wie an Fachkollegen ausdrücklich richtet, den Einstieg in die Lektüre. Wer sich jedoch über die vielen Fremd- und Fachwörter hinweg zu den geballten Informationen durchschlägt, wird mit einem erdkundlichen Grund- und Fortgeschrittenenkurs über die gesamte Weser-Ems-Region reich belohnt. Ein Muss also für Zugereiste, die schon bei den Unterscheidungen zwischen Geest und Marsch immer wieder ins Straucheln geraten. Ein Bonbon aber auch für diejenigen, die schon mehr wissen. Ihnen bietet das Buch, das seine neun Exkursionen an zumeist historischen Landschaftstypen orientiert – von Mooren, Heide- und Hudelandschaften bis zum Urwald oder Flussverläufen – Informationen darüber, wie Pflanzen, Tiere, Mensch und Landschaften sich gegenseitig beeinflusst haben. Dies wird jeweils beispielhaft für verschiedene Landschaftstypen und Regionen beschrieben.
Die Ausflüge führen u.a. in Naturschutzgebiete um Osnabrück, Meppen und Oldenburg. So zum Beispiel in die Waldlandschaft im Hasbruch. Am Beispiel des Urwaldes werden da nicht nur obligatorisch die berühmten mehrhundertjährigen Eichen namens „Amalie“ und „Friderieke“ hervorgehoben, sondern auch erklärt, wie der Wald durch die Bewirtschaftung durch Kloster und Grafen überhaupt urwaldartig entstehen konnte – und welche Pilze am üppigsten auf den alten Hölzern gedeihen. Eine – allerdings nur schemenhafte – Landkarte hilft in diesem wie in allen anderen Kapiteln, sich einen Überblick über das jeweils beschriebene Gebiet zu verschaffen.
Für den zügigeren Gebrauch ist dagegen das Radwanderbuch Unterweser von Heiko Ahlers, Uwe Leiningen und Wim van Schie (Isensee-Verlag) gemacht. Für die allzu hurtige RadlerInnen fehlt nicht einmal der Hinweis, dass die Radwanderkarte in der Klappe auch als „Ersatzteil“ nachbestellt werden kann. Insgesamt hält das Buch dabei durchaus, was der Untertitel verspricht; es liefert einen handlichen Kultur- und Naturführer. Geschichte, Stadtportraits, Landschaftsentwicklung und Architektur kommen nicht zu kurz – aber auch nicht länger, als es mehrere 'zig bevorstehende Radelkilometer eben zulassen.
Die 21 Touren für Radwanderungen zwischen Oldenburg, Bremen, Cuxhaven und Butjadingen sind dabei zwar mit einer Wegbeschreibung à la „am-Ortsausgang-rechts-abbiegen“ versehen. Die Systematik des Buches lässt jedoch auch viele Abwege vom vorgegebenen Pfad zu. Voraussetzung dafür ist die übersichtliche Systematik der Kapitel – wie etwa Bauernhäuser, Klöster, Burgen – die es eigenwilligeren NutzerInnen dank sorgfältiger Querverweise zu den Tourenvorschlagen ermöglicht, abseits von der vorgegebenen Route Stippvisiten einzulegen oder Themen zu vertiefen. Der über 20seitige Serviceteil listet alle dafür wesentlichen Telefonnummern auf.
Dabei ist das Buch sowohl für EinsteigerInnen – etwa mit der Blockland-Tour – als auch für weiter Fortgeschrittene geeignet. Auch Zugereiste können darin in Grundzügen vieles Wichtige über Wurten und Deiche, Moore, Marsch und Geest erfahren. ede
Nordwestdeutsches Tiefland, von R.Pott, Ulmer Verlag Stuttgart (1999), 39, 80 Mark
Unterweser, von H. Ahlers, U. Leiningen, W. van Schie, Isensee-Verlag Oldenburg (1999), 24,80 Mark
*Beide oben genannten Bücher sind Neuerscheinungen in einer Reihe, in der dieselben Autoren auch andere Regionen vorstellen.
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