: Antifaltencreme für die PDS
■ Junge Funktionäre der PDS wollen die Partei für Jugendliche attraktiver machen. Kritik an „wertkonservativer Haltung“ vieler Parteimitglieder und „defensiver Sozialstaatspolitik“
Manchmal blicken auch Mitglieder der PDS mit Neid auf die CDU: „Die Christdemokraten verstehen es hervorragend, sich ein jugendliches Image zu geben“, gesteht Michael Grunst, jugendpolitischer Sprecher des Landesvorstandes, ein. Die PDS kann von einer solchen Ausstrahlung bisher nur träumen. Damit die Partei nicht, wie es der PDS-Politiker Michael Brie einmal formuliert hat, „im Jahr 2010 biologisch tot“ ist, fordern junge PDS-Mitglieder jetzt eine Diskussion über die Jugendpolitik der Partei ein.
Grunst, der zusammen mit anderen ein mehrseitiges Kritikpapier verfasst hat, betrachtet vor allem das Ausbleiben von Nachwuchsfunktionären als „katastroal“. Mitverfasser Stefan Grunwald, Jugendreferent beim Bundesvorstand, macht die „wertkonservative Haltung“ vieler Parteimitglieder für das Ausbleiben von Neuen verantwortlich: „Wenn drei PDSler zusammensitzen, reden sie lieber über die Vergangenheit als über die Zukunft.“
Die PDS, so kritisieren die Verfasser, sei keine reformorientierte Partei. Dies manifestiere sich unter anderem in der „defensiven Verteidigung des Sozialstaates“. Grunwald: „Es fehlt die Bereitschaft zur Innovation.“
Gleichzeitig wendet man sich gegen eine eigenständige Jugendpolitik im Umfeld der PDS, wie sie etwa der kürzlich gegründete Jugendverband „Sojus“ betreiben will. Die Partei könne keine „Avantgarde einer neuen, linken Jugendbewegung“ sein. Die PDS solle sich stattdessen darauf konzentrieren, Freiräume für Jugendliche zur Verfügung stellen, beispielsweise durch Unterstützung von Jugendprojekten.
Zentrale Themen, mit denen man die Jugend künftig von der Partei überzeugen will, sind die Positionen zur Arbeitsmarkt- und Ausbildungsproblematik. Zudem wollen die Verfasser berücksichtigen, dass Jugendliche heute verstärkt „leistungsorientiert“ seien.
Für den Wahlkampf zum Abgeordnetenhaus raten die Youngsters ihrer Partei, sich auf Inhalte statt auf das Vorhersagen von Konstellationen zu konzentrieren. „Eine Regierungsbeteiligung lehnen wir nicht grundsätzlich ab“, so Grunwald. Zuvor aber müssten die Ziele abgesteckt werden, die die PDS damit erreichen wolle.
Im Landesvorstand der Partei, der die Angelegenheit am kommenden Mittwoch beraten will, treffen die Vorschläge auf Verständnis: „Ist doch ganz normal, dass junge Leute ihre Vorstellungen formulieren“, kommentierte Landesgeschäftsführer Roland Schröter, der über das Schreiben „nicht traurig“ ist. Der Abgeordnete Gernot Klemm nennt das Papier ebenfalls „in jeder Beziehung vernünftig“, und auch bei Freke Over, wie Klemm einer der jüngeren PDS Abgeordneten, trifft die Kritik auf Zustimmung.
Benjamin Hoff, jüngster Abgeordneter der PDS im Landesparlament, hält die Vorschläge hingegen für „ziemlich unausgegoren“. Hoff teilt zwar einige der genannten Defizite, kann aber Formulierungen wie „defensive Arbeitsmarktpolitik“ nicht nachvollziehen. Der beste Weg, die Partei linken Jugendlichen nahe zu bringen, sei die Durchsetzung linker Politik.
Auch Katja Haese, Sprecherin des PDS-nahen Berliner Jugendverbandes „Sojus“, lehnt den Vorstoß als „zu reformorientiert“ ab. Man müsse junge Leute erst einmal überhaupt für linke Politik interessieren. Die Positionen der Verfasser seien zu schwammig, sagt Haese. „Einige Platzhirsche sehen durch unseren Jugendverband ihre Karriere gefährdet.“ Andreas Spannbauer
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