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Nasa kennt die Risiken eines Unfalls nicht genau

■ Mehr als zwei Drittel der Menschheit könnte radioaktive Strahlung abbekommen

Die Nasa rechnete in ihrer Umweltverträglichkeitsstudie FEIS (Final Environmental Impact Study) von 1995 damit, dass mehr als zwei Drittel der Weltbevölkerung der radioaktiven Strahlung ausgesetzt werden könnte, wenn es bei dem „Swingby“-Manöver der Raumsonde Cassini in der kommenden Woche zu einem unbeabsichtigten Wiedereintritt in die Erdatmosphäre kommt.

Innerhalb von 50 Jahren würden von diesem Bevölkerungsanteil 2.300 Menschen unheilbar an Krebs erkranken. Diese Zahl wurde in der 1997 veröffentlichten Zusatzstudie SEIS (Supplemental Environmental Impact Study) auf 120 nach unten korrigiert.

US-Physikprofessor und Cassini-Kritiker Michio Kaku bezichtigt die Nasa, die Öffentlichkeit über die Gefahren eines Unfalls in die Irre zu führen. In seinen „Wissenschaftlichen Anmerkungen zu den Unfallrisiken durch die Weltraummission Cassini“ kommt er zu dem Schluss, dass die ursprüngliche Nasa-Zahl von 2.300 sogar um den Faktor 100 erhöht werden müsse. Er wirft der Nasa wissenschaftliche Unredlichkeit vor, sie habe das Unfallszenario nicht umfassend getestet, kaschiere ihr Unwissen mit aus der Luft gegriffenen Zahlen und veröffentliche Ergebnisse mit drei Stellen Genauigkeit, ohne auf mögliche Fehlerquellen hinzuweisen.

Erst nach dem Start von Cassini wurde die Sicherheitsanalyse des INSRP (Interagency Nuclear Safety Review Panel) einem Sachverständigenrat aus fünf Regierungsorganisationen bekannt. Der Bericht weist darauf hin, dass die Folgen eines Wiedereintritts sehr kontrovers bewertet werden. So beinhaltet er eine Schätzung von 1.500 möglichen Krebstoten, räumt aber auch ein, dass sich nach einer anderen Methode mehrere Zehntausend tödliche Krebserkrankungen errechnen, wenn man vom vollständigen Verbrennen des Raumfahrzeugs ausgeht.

Doch dass dieser GAU eintritt, hält die Nasa für ausgeschlossen. Die Wahrscheinlichkeit betrage eins zu einer Million. Die Strahlungsdosis, die eine Person dabei abbekommen kann, sei im Laufe von 50 Jahren tausendmal geringer als die natürliche Strahlung, der sie in diesem Zeitraum ausgesetzt ist. Der Medizinphysiker Roland Wolff hält diesen Vergleich für unzulässig. Auch die natürliche Strahlung erzeuge Krebs, und „jede noch so kleine zusätzliche Strahlenbelastung aus künstlichen Quellen vergrößert das Risiko“.

Wolfgang Schlupp-Hauck

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