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Nobelpreisträgerin verhaftet

■ Den Sitzstreikenden gegen die Überflutung am Narmada-Staudamm steht das Wasser bis zum Hals. Polizei greift ein

Pune (taz) – Medha Patkar, Trägerin des alternativen Nobelpreises, war eine der ersten Demonstrantinnen, die von Polizisten aus dem schlammbraunen Wasser des Narmada-Stausees gezogen wurde. Aber obwohl 62 Frauen in polizeilichem Gewahrsam landeten, setzen die protestierenden Dorfbewohner in der mehrheitlich von Ureinwohnern besiedelten Bergregion am Sardar-Sarovar-Damm weiterhin ihr Leben aufs Spiel. Sie wollen die Brutalität der durch den halbfertigen Staudamm hervorgerufenen Überflutung ihrer Heimat demonstrieren.

„Unser Land und der Wald drumherum bedeuten uns alles, schließlich ernähren sie Mensch und Vieh“, erklärt die Bäuerin Pervi Bhilala vom Volk der Blil. „Wir haben keine andere Wahl.“

Seit Mitte Juni hatte die Sozialwissenschaftlerin Patkar, die vor 14 Jahren die „Bewegung zur Rettung der Narmada“ ins Leben gerufen hatte, zusammen mit Unterstützern aus dem ganzen Land in einer Bambushütte unterhalb des Blil-Dorfes Domkhadi kampiert. Hier verengen die Bergketten der Kindhya und Satpura das Tal auf einen Kilometer Breite. Nach heftigen Monsunregen bildete sich ein Rückstau im See hinter dem Damm, der den Wasserpegel ruckartig in die Höhe trieb. Im Morgengrauen standen die Insassen bis zu den Hüften im Wasser. Daraufhin setzte sich eine Polizeikolonne aus der Distrikthauptstadt Nandurbar in Bewegung, um einen Märtyrertod zu verhindern. Nach Angaben der Demonstranten sollen sie dabei auch zugeschlagen haben.

„Wir sind nicht hier, um Selbstmord zu begehen“, hatte Patkar Journalisten aus dem In- und Ausland erklärt. „Der Widerstand tritt jetzt in die entscheidende Phase. Wir wollen Antworten auf die Fragen, die wir in die Debatte geworfen haben.“ Falls weitergebaut werde, wolle man den „Freitod im Wasser suchen“.

Diese Drohung ist in erster Linie an das Oberste Gericht des Landes gerichtet, das den Bau des Sardar-Sarovar-Dammes vier Jahre lang angehalten hatte und in den kommenden Wochen darüber beraten wird, ob die Bauarbeiten fortgeführt werden oder dem Antrag der Protestbewegung auf unfassende Revision des Projekts unter Mitwirkung der Betroffenen stattgegeben werden soll. Zunächst muss aber über einen Antrag der Bauherren entschieden werden, ob der Sitzstreik und entsprechende Äußerungen von Patkar und der Schriftstellerin Arundhati Roy eine Mißachtung des Gerichts darstellen. Rainer Hörig

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