piwik no script img

„Das ist pure Staatshehlerei“

■  Fünf enteignete Besitzer von Mauergrundstücken sind mit ihren Beschwerden vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Jetzt wollen sie eine Zivilklage einreichen

Die Enttäuschung war nicht zu überhören. „Da unser Staat alles andere als gerecht ist, bekommen wir das Grundstück nicht zurück“, sagte Ilsemarie Scheuermann von der „Interessengemeinschaft ehemalige Grundstücksbesitzer auf dem Mauerstreifen Berlin“, als sie gestern von der Abweisung ihrer Klage durch das Bundesverfassungsgericht erfuhr.

Vier weitere Besitzer von Berliner Mauergrundstücken scheiterten mit Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe. Die ehemaligen Eigentümer waren im Zuge des Mauerbaus 1961 enteignet worden. Nach der Wende hatten sie gegen das Mauergrundstücksgesetz von 1996 geklagt, dass ihnen nur den Wiedererwerb der inzwischen bundeseigenen Grundstücke zu 25 Prozent des Verkehrswertes zubilligte. Allerdings auch nur, wenn der Bund die Grundstücke nicht für eigene Zwecke benötigte.

Das Gericht hat gestern die Verfassungsbeschwerde der Enteigneten nicht angenommen. In der Begründung hieß es, die Beschwerden hätten keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung und es bestünden deshalb keine Erfolgsaussichten. Der stellvertretende Vorsitzende der Interessengemeinschaft, Joachim Hildebrandt, versteht die Entscheidung der Richter als Aufforderung, jetzt zivilrechtlich vorzugehen und eine Änderung der Grundbucheintragungen zu ihren Gunsten durchzusetzen.

„Unsere beiden Grundstücke in der Mühlenstraße in Friedrichshain sind Filetgrundstücke“, sagte Ilsemarie Scheuermann zur taz. „Deshalb rückt der Staat sie nicht heraus.“ Die Grundstücke seien schon 1876 in den Besitz der Familie gekommen. Die Familie hätte sogar noch für die Enteignung an die DDR Geld bezahlen müssen, weil auf einem noch Trümmerschutt abgeräumt werden musste. „Jetzt wohnen wir zur Miete in Westberlin. Den Rückkauf zu 25 Prozent des Verkehrswertes können wir uns nicht leisten“, sagte die Frau. Schließlich liege der inzwischen bei 1.500 bis 2.000 Mark pro Quadratmeter.

Joachim Hildebrandt zeigte sich über den Gesetzgeber empört: „Das ist Staatshehlerei.“ Um die Grundstücke nicht herauszurücken, konstruierten die Juristen windige Begründungen. In seinem Fall sei die Enteignung angeblich rechtens. Bei seinem Nachbarn dagegen komme eine andere Rechtsauffassung zum Tragen. Der habe sein Grundstück schon zurückbekommen. „Das Haus auf meinem Grundstück steht ja ohnehin nicht mehr. Auch dafür haben wir keine Entschädigung bekommen“, sagt Hildebrandt. „Solches Vorgehen als Wiedergutmachung zu bezeichnen, ist zynisch.“ Annette Rollmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen