piwik no script img

Schröders Raumschiff ist gelandet

■  Es ist vollbracht: Mit dem Umzug des Bundeskanzlers, von Außenminister Fischer und Umweltminister Trittin ist seit gestern die Bundesregierung komplett in Berlin vertreten. Die Berliner sorgen sich um andere Dinge

Ein letzter Gruß noch an die Fotografen. Dann schritt Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) die ausladende Treppe im Foyer des ehemaligen DDR-Staatsratsgebäudes nach oben in sein Arbeitszimmer. Kein Begrüßungstermin mehr, kein „Willkommen in der Bundeshauptstadt“. Der Regierungsumzug ist abgeschlossen. Nur ein paar Kisten warten noch darauf, ausgepackt zu werden. Der Kanzler ist in Berlin. Er hatte noch gefehlt, nachdem am Vormittag auch Außenminister Joschka Fischer und Umweltminister Jürgen Trittin ihre Amtsgeschäfte aufgenommen hatten.

Wohl fühle er sich hier, sagte Schröder, und bald wolle er „mit einem dieser Doppeldeckerbusse, wo oben das Dach abgesägt ist“, die Stadt erkunden. Berlin prophezeite er den Status einer Weltstadt und schmeichelte damit den Berlinern und dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU).

Der suchte neben Schröder nach rechter Haltung und trennte schließlich Amt und Person: Begrüßt wurden Gerhard Schröder und der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Der Regierende wies auf die räumliche Nähe zum Roten Rathaus. „Wir werden uns wohl aneinander gewöhnen müssen. Und jetzt zur Torte.“ 35 Kilo Marzipan, Mousse und Sahne durften sich ein Pulk von Journalisten und Mitarbeitern teilen, während Schröder schon eine Traube von Kameraleuten hinter sich her ziehend zum Haupteingang stob, ein Bad in der Menge zu nehmen.

Schon am Mittag hatte eine Hand voll Berliner auf der Jungfernbrücke auf den Kanzler gewartet. Dass hier zunächst nur Außenminister Fischer eintreffen sollte, störte nicht weiter. „Ach, ohne Gattin“, bedauert eine Anwohnerin, als der Minister des Äußeren hinter der Absperrung aus seinem Mercedes mit Bonner Kennzeichen steigt und nach ein paar Worten an die Reporter ins Amt entschwindet. Vertreter der Berliner Landesregierung ließen sich beim Vizekanzler nicht blicken.

Die etwa 60-jährige neue Nachbarin des Ministers wohnt im Wohnblock gleich gegenüber, hinter dem neuen Bundeskanzleramt. In erster Linie sorgt sie sich um drei wilden Katzen, die im Garten des Kanzleramtes hausen. „Ich glaube, der Schröder weiß das gar nicht“, befürchtet sie und hofft, dass sich nun des Kanzlers Küchenpersonal der Tiere annehmen werde. Von Schröder selbst wünscht sie sich, dass er mal zu ihr rüberwinke.

Topfpflanzen gab es für Bundesumweltminister Jürgen Trittin zum Einzug in seinen neuen Dienstsitz am Alexanderplatz. Sein Berliner Amtskollege, Umweltsenator Peter Strieder (SPD), hatte eine stachelig-grüne Kaktee der Gattung Euphorbia, umrahmt von vier fleischig roten Blüten der Anthurie ausgewählt. „Ein Umweltminister muss Stacheln haben“, sprach Strieder. Man könne nicht alles im Konsens erreichen. „Und die roten Blumen stehen für die richtigen Mehrheiten.“

Trittin hat es gefreut. Etwas Grünes fehlt offensichtlich in seinem noch kargen Amtszimmer im vierten Stock des realsozialistischen Bürohauses. An der Wand hängt ein Transparent: „Kein Einzug ohne Ausstieg“. Nach kurzem Foto-Shooting müssen die Journalisten das Zimmer wieder verlassen. Trittin und sein Gast wollen unter vier Augen sprechen.

Auf den Gängen hat sich Staatssekretärin Gila Altmann (Grüne) neben einer Deutschlandfahne in ein Gespräch verwickeln lassen. „Die kommt wohl in den Keller“, sagt sie etwas unschlüssig. Der pinkelnde Hund aus Pappmaschee dagegen soll bleiben. Ein Geschenk zum Einzug in den Bundestag. Damals sollte es eine Aufforderung sein, „dem Kohl ans Bein ..., Sie wissen schon“. Sie lacht, denn vor ein paar Minuten pinkelte er noch gegen den Sockel der Fahne. „Da hab ich ihn dann weggenommen.“ tde/ga

Tagesthema Seite 3, Bericht Seite 6

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen