: Zehn Kannen, filterlos aufgebrüht
■ Das ZDF-Magazin „WiSo“ ließ in Bremen Kaffee testen
Bremen (taz) –Annemieke Wijn aus der Chefetage von Jacobs in Bremen machte Geräusche wie ein verstopftes Abflussrohr. Günter Fude aus dem Hause J. J. Darboven gurgelte, als sei er bei einem Casting für den nächsten Odol-Werbespot zugegen. Und Peter Ploog, Chefredakteur von Essen & Trinken, spie inmitten des ehrwürdigen Bremer Rathauses einen Schluck Kaffee nach dem anderen in den goldenen Spucknapf.
Warum nur dieses degoutante Benehmen? ZDF-Redakteur Uli Röhm hatte darum gebeten. Für die Verbrauchersendung „WiSo“ wollte er ermitteln, welcher handelsübliche Röstkaffee am besten schmeckt. Acht Tester und Testerinnen, zumeist in leitender Position im Kaffeegeschäft tätig, tranken sich deshalb über Stunden durch zehn Kannen filterlos aufgebrühten Kaffee. Nur Tchibo wollte nicht teilnehmen, weil, so ließen die Hamburger Uli Röhm per Metapher mitteilen, der Verbraucher „das letzte Wort haben sollte – und das wollen wir ihm nicht aus dem Munde nehmen“.
Doch auch ohne Tchibo fanden sich unter den Testern illustre Gestalten. Unter ihnen der als „italienischer Kaffeepapst“ angekündigte Ernesto Illy sowie der bekennende Teetrinker und bekennende Kaffeebanause Henning Scherf, von den Bremern eigentlich zum Bürgermeister der Hansestadt gewählt, in seinem Selbstverständnis aber prominentester Lobbyist des Kaffeestandortes Bremen.
Früh schon bereitete Tester Ralf Siekmann von der Handelskette Marktkauf den ZDF-Redakteur auf die Kapitulation seiner überforderten Geschmackspapillen vor. Ständig wähnte sich der Hilflose auf einem gewaltig breiten „Geschmackskorridor“, der ihm jede Differenzierung zwischen diesen vielen Kaffees unmöglich mache. Herr Fude kaute auf jedem Schluck Kaffee herum, als sei er beim WiSo-Salamibrötchentest dabei. Und ließ zudem seinen Hilfe suchenden Blick verdächtig oft über den Testbogen seines Nachbarn Hochwürden Illy schweifen. Ploog hingegen stöhnte: „Diese Verantwortung drückt einen runter.“ Um dann auf die Frage, was guten Kaffee aus der Sicht des Geschmacksexperten auszeichne, vor laufender Kamera tatsächlich mit „Nach Kaffee soll er schmecken“ zu antworten.
Alles andere als guten Kaffee vermutete der Hl. Kaffeevater Illy wohl in seiner Tasse, als er sich mit seinem silbernen Testerlöffelchen der fünften Probe näherte. Dieses Zeug, ließ der rotgesichtige alte Herr verlauten, zöge ihm die schwarzen Turnschuhe aus, die er zu seinem schwarzen Anzug trug, weshalb er nicht mal einen mickrigen Punkt dafür vergeben könne. Dass ausgerechnet diese Tasse dem Bürgermeister vorzüglich mundete, erstaunte im Saal niemanden.
Politisch korrekt rotbesockt, tunkte Dieter Overath von Transfair sein Gesicht tief in jede Tasse – vermutlich, um auf dem Grund noch Spuren von Sklavenarbeit und Unterdrückung oder doch wenigstens das Transfair-Siegel zu erkennen. Als auch die letzte Probe in den Spucknapf gewandert war, verkündete Uli Röhm den nervösen Kaffeevorständen das Ergebnis: Nur Illy hatte seinen eigenen Kaffee erkannt, was bei einem Espresso allerdings nicht sonderlich schwer war. Dieter Overath mühte sich um Schadensbegrenzung und flunkerte: „Ich hatte ihn angekreuzt, aber dann wieder durchgestrichen.“ Peter Ploog gestand zerknirscht seine Niederlage ein („Ich bin erschüttert“), während der abgebrühte Standortvertreter die Situation vor der Kamera für den erneuten Hinweis nutzte, in Bremen müsse man „für Kaffee sein“. Und „fröhlich und vorneweg“ wolle er alles dafür tun, um ihn unter die Leute zu bringen.
Knapp vor „illycaffe“ gewann schließlich „Jacobs Krönung free“ – ein Getränk ohne Koffein, dafür aber wenigstens aus Bremen. Was die freudestrahlende Jacobs-Frau Annemieke Wijn spontan sagen ließ: „Guter Kaffee braucht eben kein Koffein“ – ohne über die Konsequenzen ihres gewagten Urteils für ihr restliches Sortiment nachzudenken, zu dem im Übrigen auch jene ominöse Probe fünf zählte.
Guter Kaffee, so das Fazit des WiSo-Redakteurs Röhm, muss weder koffeinhaltig noch muss er teuer sein. Die Geschmacksunterschiede zwischen dem billigen Aldi-Kaffee und dem nicht so billigen Siegerkaffee sind für den Durchschnittstrinker vernachlässigbar – sieht man vom anbetungswürdigen Kaffeepapst Illy ab, der als einziger Tester wirklich zu begründen wusste, wodurch sich Brühe von Kaffee unterscheidet. Woraufhin Henning Scherf die pfiffige Idee gebar, den Test spektakulärer zu gestalten: Die Tester sollten sich doch gegenseitig mit Tassen bewerfen. Das aber wollte Uli Röhm nicht. Schade auch – da hat der Bürgermeister endlich mal eine gute PR-Idee und wird nicht erhört. Franco Zotta ‚/B‘Heute, 19.25 Uhr im ZDF
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen