: Surfen in haiverseuchten Gewässern
■ Im Internet darf nicht alles überwacht werden, sagt Bremens Datenschützer Stefan Walz / Obwohl Fremde hinterhersurfen und überwachen können / Einschränkung Grundrechte neu übedenken?
Schöne neue Medienwelt? Fünf Landesdatenschutz-Beauftragte haben sich letzte Woche anlässlich der Internationalen Funkausstellung zusammengetan, um in Berlin einen besseren Datenschutz für Internet-Nutzung einzufordern. Einer von ihnen war der Bremer Datenschutzbeauftragte Stefan Walz. Neue Regelungen allein reichen nicht aus, sagt Walz. Vielmehr müsse man festlegen, dass bei den heutigen Datenmengen nicht mehr so umfassend überwacht werden darf, wie es technisch möglich ist.
taz: Herr Walz, ich war letzte Nacht im Internet und bin aus Recherchegründen auf Seiten rechtsradikaler Gruppierungen herumgesurft. Wer weiß denn alles davon?
Stefan Walz, Landesdatenschutzbeauftragter Bremen: Jeder, der im Internet surft, hinterlässt eine Datenspur. Zumindest der Provider kann feststellen, welche Angebote von wem ange-klickt wurden.
Wird das auch gemacht?
Zumindest besteht die Möglichkeit.
Wer muss eine technische Überwachung anordnen? Funktioniert das wie beim Telefon, dass ein Staatsanwalt zum Gericht geht, um eine Verfügung zu beantragen?
Inwieweit die Überwachung der Internetnutzung durch die bestehenden Abhörvorschriften gedeckt wird, ist unklar. Was ein Staatsanwalt machen kann, ist, vom Provider im Nachhinein Informationen über die Kunden zu verlangen.
Wird das schon praktiziert?
Wir haben nur Statistiken zur Telefonüberwachung, doch selbst diese Zahlen sind umstritten. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz redet von einer Verdoppelung der Überwachungszahlen seit 1995 auf 10.000 Überwachungen pro Jahr. Es gibt keine Statistiken, wie oft andere Formen des Kommuniationsverkehrs kontrolliert werden.
Die Kontrollgesetze sind für das analoge Telefon gemacht worden. Inzwischen aber haben wir ein digitales Netz. Der Katalog, der dazu legitimiert, Telefone abzuhören, ist im Lauf der Jahre 17-mal erweitert worden. Die rechtliche Grauzone besteht heute darin, dass nicht unterschieden wird, welche Art von Informationen durch das Netz geschickt werden: Telefone, Faxgeräte und Internet werden von der Technik gleich behandelt, weil alle Informationen durch das gleiche Kabel fließen.
Das heißt, es besteht jetzt ein neuer gesetzlicher Regelungsbedarf?
Man darf jetzt nicht mit immer neuen Regelungen über den Status Quo hinausgehen, nur weil die Technik sich verändert. Wenn die alten Regeln auf die neue Mediensituation übertragen werden, führt das zu einer höheren Kontrolldichte. Es muss grundsätzlich neu diskutiert werden, wie eine freie Telekommunikation gesichert wird. Die Überwachungszahlen bei Telefonen wachsen, ohne dass wir eine Bewertung haben, die sagt, dass dies gerechtfertigt sei. Die Bundesregierung hat gerade erst eine solche Auswertung in Auftrag gegeben.
Und was geschieht solange bei der Überwachung von E-mails und Internet?
Es bringt nichts, das Wort „E-mail“ jetzt noch irgendwo ins Gesetz einzukleben. Wir Datenschutzbeauftragte fordern eine grundsätzliche Kehrtwende im Denken: In dem neuen digitalen Zeitalter, dass wir betreten, muss das Verhältnis von Grundrechten und dessen Einschränkung neu überdacht werden. Es darf nicht alles überwacht werden, nur weil es technisch möglich ist.
Solange das nicht klarer wird, empfehlen Sie mir also, nicht weiter auf Internet-Seiten rechtsradikaler Gruppierungen herumzusurfen?
Sie müssen jedenfalls damit rechnen, dass davon Leute erfahren, von denen Sie nicht wollen, dass die das wissen. Allein die Vermutung, dass man überwacht wird, kann leider das Verhalten des Nutzers ändern – und das wiederum ist eine Sebstzensur des Grundrechts auf freie Informaton und freie Meinungsäußerung.
Fragen: Christoph Dowe
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