: Es ist alles ein Rätsel
■ Seit auch Rätselhefte neu rechtschreiben, kriegt mancher Leser nichts mehr raus
Die vierwöchige Segelreise in der Karibik hätte jetzt bestens gepasst. Aber das verdammte Silbenrätsel will nicht aufgehen. War das Wort für „Jugendlicher“ vielleicht doch „Tee-na-ger“ und das für „lästig“ doch „pe-net-rant“?
Seit vor vier Wochen die großen Nachrichtenagenturen und die meisten Zeitungen und Zeitschriften auf die neue Rechtschreibung umgestellt haben, ist manchem Sprachnutzer die ganze Rechtschreibung ein Rätsel. Noch schlimmer aber ist es für Rätsellöser. Sie müssen sich fragen: Hat mein Rätselheft umgestellt? Und wenn ja: wie? Denn da soll es ja so viele Schreibweisen geben ...
Wie bei der meinungsbildenden Presse, die sich teilweise umfängliche eigene Schreibknigges gab, hat sich zudem auch bei den Rätselzeitungen fast jede Redaktion ein eigenes System gestrickt. „Wir haben zwar umgestellt“, so Alfred Mathis, Leiter der Schlussredaktion bei Freizeit Revue und Special Rätsel aus dem Burda-Verlag, „aber alles, was die Wörter verändert, machen wir nicht. Das heißt: Groß- und Kleinschreibung ja, Dreifachkonsonanten und -vokale nein.“ Bei Mach mal Pause, dem Rätselheft aus dem Bauer-Verlag, hat man auf eine Umstellung bislang völlig verzichtet und auch noch keinen Termin festgelegt.
Die Rätselschreibungen in den Zeitungen und Zeitschriften, die bereits durchgängig die neue Rechtschreibung benutzen, müssen nun aber wohl oder übel angepasst werden. Das SZ-Magazin zum Beispiel hat aber vorsichtshalber gewartet, bis das allsommerliche dreiteilige „Rätselrennen“ beendet ist, obwohl im Heft selbst schon seit Monatsbeginn die neuen Wörter geschrieben werden. Verwirrung auch beim Marktführer unter den Rätselheften für junge Leser, dem Gute Zeiten Schlechte Zeiten Rätselspaß. Der Magazinteil wurde umgestellt, der Rätselteil soll irgendwann folgen. „Wann es soweit sein wird, wissen wir nicht“, so Stefanie Walker, die Vizechefredakteurin.
Dabei genügt meist ein Anruf bei einer Agentur. Denn kaum eine Redaktion leistet sich den Luxus einer eigenen Rätselredaktion, die sich die Rätsel ausdenkt. Fast alle Kreuzwort- und Silbenrätsel werden in Rätseldienstleistungsfirmen per Computer zusammengestellt. Dabei kann man nach den Wünschen des Auftraggebers verschiedene Schwierigkeitsstufen (und auch Dinge wie das Alter der Zielgruppe oder ihre Region) einstellen. Vom Schwierigkeitsgrad hängt dann ab, ob es zusammengesetzte Worte im Rätsel gibt oder Fremdworte.
Den Agenturen selbst macht die Umstellung wenig Sorgen: „Wir lassen Ausnahmewörter und Zweifelsfälle einfach weg. Bis sich die Reform wirklich durchgesetzt hat, kommen ,Delfin‘ und ,Spagetti‘ eben nicht mehr vor“, erklärt Peer-Gunnar Timm, Geschäftsführer von „Kanzlit“, einer der großen Rätselagenturen Deutschlands, die Kreuzworträtsel an Zeitschriften aller großen Verlage liefert. Rätselspezialist Udo Pini aus Hamburg, der exklusivere Rätsel unter anderem für die Woche und den Stern entwickelt, erklärt: „Ich habe wenig Probleme mit meinen Umschreibungen und passe die Rechtschreibung den Vorgaben des Auftraggebers an.“ Sein Berufskollege Dieter Schoss baut Rätseldiagramme unter anderem für Stern und Zeit. Auch seiner Ansicht nach sind Kreuzworträtsel nicht besonders schwierig umzugestalten, denn „ß“ oder „ss“ war dort schon immer egal und Konsonanten- und Vokalverdreifachungen kommen so gut wie nie vor: Die Worte, in denen das vorkommt, sind für Kreuzworträtsel sowieso meist zu lang. „Interessant“, so Schoss, „wird es bei den Silbenrätseln. Die neuen Regeln der Silbentrennung machen das ,Qua-drat‘ zum ,Quad-rat‘, das kann dann schon mal schwierig sein. Andererseits: Wer sich für diese Art Rätsel interessiert, der verfolgt auch die Diskussion um die neuen Regeln und kommt normalerweise schnell klar.“
Präziser ausgedrückt: Der typische Rätsellöser ist im Rentenalter, hat zu viel Zeit, ein bisschen Langeweile und Spaß am Denksport. Aber, übrigens: Was will der eigentlich mit einer Segelreise in der Karibik?
Katrin Viertel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen