■ Kommentar: Die letzte Predigt Die Forderung nach Umverteilung zieht nicht mehr
In der Politik ist es wie im Gottesdienst: Ob eine Predigt ankommt, hängt an der Rhetorik des Predigers, am Text, am Publikum. Wer sich ständig wiederholt, ermüdet.
Die Positionspapiere der SPD funktionieren wie Predigten: Irgendwann wollen die Leute die alte Leier nicht mehr hören. Sie glauben nicht mehr dran. Und irgendwann funktioniert auch die alte Rhetorik nicht mehr. Selbst wenn die Verhältnisse kein bisschen anders geworden sind.
Deswegen haben die Kritiker des Sparpakets innerhalb der SPD, die Verfechter von Vermögensabgaben und höherer Erbschaftsteuer, keine Chance mehr. Ihre Forderung nach höheren Abgaben für Reiche und Erben klingt wie die letzte Predigt zum Thema. SPD-Fraktionskollegen werfen den Verfassern des Schröder-kritischen Papiers denn auch vor, nur eine „symbolische Aktion“ zu betreiben und gar an primitive Neidgefühle zu appellieren. Wer heute noch für eine Vermögensabgabe plädiert, ist von gestern, so die Botschaft. Interessanterweise fällt diese müde Reaktion auf die Predigt der sogenannten Traditionalisten gerade in eine Zeit, in der Unternehmen nachweislich immer weniger Steuern zahlen. Und in der – nicht zuletzt durch Erbschaften – künftig tatsächlich die Gräben zwischen Vermögensbesitzern und Habenichtsen noch weiter aufreißen werden.
Doch dies will in Wirklichkeit keine Mehrheit mehr ernsthaft verhandeln. Es gehört zum rhetorischen Wandel, dass jetzt als sachliches Gegenargument daherkommt, was in anderen Zeiten leicht zu entkräften gewesen wäre. Der Einwand gegen Vermögensabgaben, Steuern auf Besitz seien bürokratisch nur mühsam zu erheben oder verfassungsrechtlich umstritten, zieht beispielsweise nur bedingt. An jedem Steuererhebungsverfahren lässt sich feilen. Auch das Gegenargument, Besitzende würden ihr Kapital ins Ausland schleusen, Unternehmer Jobs abbauen, wenn man sie noch mehr belaste, ist in Wirklichkeit kein Argument, sondern eine Drohung. Sie verrät, wo die Verteilungsdiskussion gelandet ist: Wer die Macht hat, hat auch Recht.
Das Sparpaket wird durchkommen, neue Vermögensabgaben aber nicht. Für die Zukunft gilt: Wer künftig für Umverteilung plädiert, wird eine neue Rhetorik finden müssen. Eine, die stärker ist und internationaler. Barbara Dribbusch
Bericht Seite 4
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