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Die Deutschen hatten die Wahl

Zum gestrigen 60. Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs demonstrierten in Hamburg gerade einmal 500 Menschen  ■ Von Elke Spanner

Auffallend viele ältere Menschen versammelten sich am Kriegerdenkmal vor dem Dammtorbahnhof. Das Gedenken an den deutschen Überfall auf Polen, der gestern vor genau 60 Jahren den Zweiten Weltkrieg auslöste, schien eher Sache derer zu sein, die ihn damals selbst erlebten. Als im Frühjahr die Nato unter deutscher Beteiligung das Kosovo bombardierte, waren weit über 1000 Menschen zur Gegendemonstration gekommen, gestern waren es nur rund 500, die dem Aufruf des „Hamburger Forum für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung“ folgten.

In den Redebeiträgen wurden Parallelen zum Ausbruch des Krieges damals und heute gezogen. Für Esther Bejerano, eine Auschwitzüberlebende, war das schockierendste am Kosovo-Krieg, dass er von der deutschen Regierung mit der Begründung „Nie wieder Auschwitz“ geführt worden sei. Bisher habe Auschwitz als Mahnung gegolten. Nun müsse das Schicksal der dort damals Internierten als Legitimierung eines Krieges unter Beteiligung der deutschen Bundeswehr herhalten.

Ein Sprecher des „Hamburger Bündnis gegen Rassisismus und Faschismus“ erinnerte anlässlich des Antikriegstages an die Demonstration von Neonazis am 10. Juli in Bergedorf. „Geschützt von der Polizei können heute die Kräfte durch Hamburg marschieren, die vor 60 Jahren den zweiten Weltkrieg begannen.“

In der Hamburger Bürgerschaft hielt der polnische Schriftsteller Andrzej Szczypiorski gestern einen Gastvortrag. Als 16-Jähriger war er 1944 am Aufstand im Warschauer Ghetto beteiligt und anschließend im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert. Als er sich damals die Deutschen besah, so Szczytiorski gestern, sei ihm klar geworden, dass sie sich für besser als andere hielten – wegen ihrer Tugenden wie Pünktlichkeit, Fleiß, Sauberkeit. Doch nicht Tugenden seien wichtig, mahnte das heutige Vorstandsmitglied des polnischen PEN-Clubs, sondern die Werte, denen sie dienen.

Niemand könne behaupten, Widerstand sei unter Hitler nicht möglich gewesen, sagte Szczypiorski. Die Teilhabe am Nationalsozialismus sei nicht „Ergebnis von schrecklichem Zwang“, sondern die eigene Entscheidung der Deutschen gewesen: „Sie hatten die Wahl, nur nicht die geringste Lust, ein Risiko auf sich zu nehmen.“

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