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Die ultimative Ökosteuer

Wie man nicht nur den Verbrauch von Energie senkt, sondern auch von Boden und Wasser, und dabei noch Jobs schafft, rechnet das Umweltbundesamt vor  ■   Aus Berlin Matthias Urbach

Auch der Kopf des Umweltbundesamtes (UBA) kann nicht mehr ohne. Andreas Troge, Chef von hunderten von Umweltexperten, stellte gestern in Berlin sein neuestes Ökosteuer-Konzept lieber nicht ohne ein Bekenntnis zum Standort Deutschland vor. Er versprach: „Das stärkt die Wirtschaft und bringt Arbeitsplätze.“

Das UBA engagiert nicht einfach ein paar Köpfe vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und vom Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstitut an der Uni Köln (FiFo), um eine Ökosteuer zu ersinnen und damit bloß Umweltprobleme zu lösen. Nein, ganz nebenbei lässt es sie noch ein paar „steuersystematische“ Überlegungen anstellen. Am Ende fordert das UBA die Abschaffung der Gewerbeertragssteuer – warum auch nicht. An die Senkung der Lohnnebenkosten haben wir uns ja schon gewöhnt.

Zudem schafft der UBA-Vorschlag auch noch 260.000 Jobs in zehn Jahren. Schön, dass das Ganze auch gut für die Umwelt ist.

Denn anders als bislang die Bundesregierung verengt das UBA die Ökosteuer nicht auf eine reine Energiesteuer: Sie möchte auch Abgaben einführen auf Abfall, Abwasser und auf den Flächenverbrauch – Letzteres möchte Troge „in den Vordergrund“ gestellt wissen. Immerhin wird in Deutschland täglich eine Fläche so groß wie hundert Fußballfelder versiegelt. Dem UBA schwebt eine Abgabe von 100 Mark pro Quadratmeter dafür vor.

Beim Abfall wünschen sich die Gutachter 100 Mark pro Tonne Sondermüll oder 40 Mark für Hausmüll zum Einstieg. Innerhalb von zehn Jahren sollen die Sätze aufs Dreifache steigen. Um bis zu 50 Prozent könnten so in zehn Jahren die Abfallmengen schrumpfen. Auch die bestehende Abwassergebühr soll aufs Dreifache steigen: Damit sinke der Schadstoffgehalt um 28 Prozent.

Bei den Steuern auf den Spritpreis schwebt den Experten eine Erhöhung um zehn Pfennig pro Jahr vor. Erst wenn eine Straßennutzungsgebühr auf die tatsächlich gefahrene Strecke technisch realisierbar und eingeführt sei, solle der jährlich Zuwachs der Spritsteuer auf fünf Pfennig begrenzt werden – das entspräche in etwa der Regierungslinie (sechs Pfennig pro Liter pro Jahr mehr). Außerdem sollen Lkw 40 Pfennig pro gefahrenenKilometer zahlen. Das UBA hofft so den Verbrauch von Benzin um ein Viertel senken zu können und den von Diesel um ein Fünftel.

Gas, Strom, Kohle und Heizöl sollen jährlich um fünf Prozent verteuert werden. Der Gesamtenergieverbrauch der Deutschen könnte dadurch um etwa 13 Prozent in zehn Jahren sinken. „Damit kämen wir in die Nähe des Klimaschutzzieles der Bundesregierung“, sagte Stefan Bach vom DIW zufrieden.

So würden nach zehn Jahren 147 Milliarden Mark umgewälzt, von Sozialversicherung und Gewerbesteuer auf den Verbrauch der Umwelt – wirtschaftsfreundlich und sozialverträglich. Denn noch etwas haben sich die Experten ausgedacht: Weil Ökosteuern letztendlich Verbrauchssteuern sind, die von den Unternehmen auf den Käufer abgewälzt werden, soll den sozial Schwachen unter die Arme gegriffen werden: Dafür könnte der niedrige Mehrwertsteuersatz auf Lebensmittel von sieben auf fünf Prozent gesenkt werden, weil der ja die Armen am stärksten trifft. Außerdem könnten die Sozialtransfers, wie Wohngeld und Sozialhilfe, entsprechend den Mehrbelastungen durch die zu erwartende Preissteigerung aufgestockt werden. Ein guter Tipp für die Bundesregierung, um das schlechte Image der Ökosteuer ein wenig aufzupolieren.

Natürlich gebe es auch Verlierer einer solchen Steuerreform: Etwa bei den umweltschädlichen Altindustrien in der Chemiegrundstoffbranche, in der Zement- oder Zellstoffindustrie. Eine Branche gehört aber sicher nicht dazu: die Autoindustrie. Auch sie, versicherte Bach, profitiere von den niedrigeren Lohnnebenkosten.

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