: Gemeinsam gegen Roth
■ Ausschreibung von Sozialprojekten: ÖTV kritisiert „Politik mit der Brechstange“
Die Gewerkschaft ÖTV begrüßt es nachdrücklich, dass Sozialsenatorin Karin Roth (SPD) die Zügel aus der Hand genommen werden. Ihre stur durchgezogene Praxis, lange existierende Sozialprojekte öffentlich auszuschreiben, hatte zunehmend Kritik auf sich gezogen. Vorige Woche hatten die Bürgerschaftsfraktionen von SPD und GAL angekündigt, eigene Konzepte zu entwickeln (taz berichtete). Dazu der ÖTV-Bezirksvorsitzende Wolfgang Rose: „Die Sozialpolitik mit der Brechstange muss jetzt beendet und der angerichtete Schaden wieder beseitigt werden“.
SPD und GAL wollen nach wie vor per Zeitungsannonce nach einem Träger suchen, wenn ein neues Sozialprojekt eingerichtet werden soll. Hingegen lehnen sie es ab, sämtliche bereits arbeitenden Träger bis zum Jahr 2002 mit anderen um das eigene Projekt kämpfen zu lassen. Das sieht eine interne Dienstvorschrift der Sozialbehörde vor, die jüngst bekannt wurde.
Dass Roth sogar in den eigenen Reihen umstritten ist, hatte vorigen Mittwoch erstmals SPDler Jan Ehlers in der Bürgerschaftssitzung offenbart. „Die Ausschreibungen dürfen nicht in einen Zustand von Deregulation von Arbeitsverhältnissen führen“, kritisierte der jetzige Vorsitzende des Haushaltsausschusses und frühere Sozialsenator. Und: „Es wäre ein falsches Verständnis von Sozialpolitik, den freien Trägern Feuer unterm Hintern zu machen“.
Öffentlichen Aufruhr hatte es zuvor schon im Gesundheitsauschuss gegeben. Vielfach war in den vergangenen Wochen gemutmaßt worden, mit den Vergabeentscheidungen wolle die Senatorin unliebsame Träger abschütteln. Im Gesundheitsausschuss dann präsentierte Roth die Kriterien, nach denen sie der Drogenhilfeeinrichtung „Palette 3“ die Trägerschaft zugunsten des Vereins „Jugend hilft Jugend (JhJ)“ entzogen hat. Dort heißt es zur „Konfliktkultur“ der Palette: „Der Anbieter betreibt eine offensive, oft gegen Senat und Bürgerschaft gerichtete Öffentlichkeitsarbeit. Das bewirke „objektiv eine strukturelle Schwächung des Hilfesystems“.
Offenkundig wurde auch, dass Roth die Arbeitslosigkeit der Beschäftigten mit einkalkuliert hat. Über JhJ schreibt die Behörde, der Verein wolle die bisherigen Palette-MitarbeiterInnen berücksichtigen, jedoch „bei weitem nicht alle“.
Elke Spanner
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen