: Patentrezept oder Katastrophe?
■ Für und Wider große Koalitionen / Fazit aus Landtagswahlen
Ein Rat unter Parteifreunden: Bürgermeister Henning Scherf (SPD) hat gestern Brandenburgs Ministerpräsidenten Manfred Stolpe die große Koalition empfohlen. Nach den positiven Erfahrungen in Bremen wollte er auch dem Brandenburger das Modell ans Herz legen. Nach Berlin, Thüringen und Bremen wäre Brandenburg dann das vierte Bundesland mit großer Koalition. Ein Patentrezept?
Nein, sagte gestern Detlev Albers (SPD) der taz auf Anfrage. So ein Patentrezept stimme meist hinten und vorne nicht: „Wir Bremer wären schlecht beraten, uns in Brandenburg einzumischen“, kommentierte er. Auch der CDU-Landeschef Bernd Neumann erklärte: Die große Koalition solle nicht zur Regel werden, sondern müsse immer eine besondere Begründung haben. Dennoch eine Tendenz, dass die großen Parteien zusammen gehen, sei da, so Neumann. „Vor allem in den östlichen Bundesländern fehlen die naheliegenden Koalitionspartner: FDP und Grüne sind dort nicht im Landtag.“ Als Koalitionspartner blieben der SPD nur CDU oder PDS.
Ganz anderer Auffassung sind die Grünen und die PDS in Bremen. Für Gisela Engel (PDS) ist die große Koalition eine „Katastrophe“, die sich lähmend auf die politische Landschaft auswirke. Und Helga Trüpel von den Grünen sieht Scherfs große Koalition längst nicht als so erfolgreich an, um das Model nach Brandenburg weiter zu empfehlen. Vor allem in punkto Arbeitslosenzahlen sei die Koalition in Bremen noch weit vom Erfolg entfernt.
Ganz andere Sorgen hat die Bremerhavener SPD, die bei der Kommunalwahl am 26. September wieder stärkste Kraft werden will. Einflüsse der Bundespolitik auf das Wahlverhalten in der Seestadt will SPD-Fraktionschef Jörg Schulz nach den Landtagswahlen nicht ausschließen. Es gebe ein „ungutes Gefühl“, gesteht Schulz. In den verbleibenden drei Wochen müsse man klar machen, dass es sich hier „um eine absolut isolierte Wahl zur Stadtverordentenversammlung“ handele. Auch für die Sozialsenatorin Hilde Adolf (SPD) geht es bei der Kommunalwahl allein um „die Zukunft unserer Stadt“. Die deutlichen Verluste der SPD bei den Landtagswahlen seien deswegen „nicht aussagekräftig für Bremerhaven“.
CDU-Landeschef Neumann dagegen rechnet mit Pluspunkten bei der Bremerhaven-Wahl durch die schlechte Stimmung bei der Bundes-SPD: Viele Traditionswähler der SPD könnten am Wahltag zu Hause bleiben, hofft er. pipe
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