Folter in Israel ab jetzt verboten

Erfolg für Menschenrechtsorganisationen: Der oberste Gerichtshof schränkt die Freiräume des Geheimdienstes ein. Ein demokratischer Staat muss gewisse Grundregeln beherzigen  ■   Aus Jerusalem Susanne Knaul

Ein Richtergremium des obersten Gerichtshofs in Jerusalem hat gestern einstimmig gegen die Anwendung von Folter entschieden. „Kein Mensch hat das Recht, einen anderen Menschen mit verbundenen Augen hin und her zu wippen, ihm Schlaf zu entziehen oder ihn in unbequemer Position auf einen Stuhl zu binden“, erklärte Aharon Barak, Präsident des höchsten israelischen Gerichts.

In der Urteilsbegründung räumte der Richter ein, dass das Urteil die Arbeit des Allgemeinen Sicherheitsdienstes Schabak (ehemals Shin Beth) erschweren werde. Dennoch müsse ein demokratischer Staat „Grundregeln einhalten“. Der Schutz der Menschenwürde gehöre dazu. Justizminister Jossi Beilin (Ein Israel) erklärte, das Gericht habe einen Balanceakt vollführen müssen zwischen „der Demokratie und dem vom Terror bedrohten Staat“.

Mit dem Urteil wandte sich der oberste Gerichtshof zum ersten Mal gegen die Methode des so genannten „moderaten physischen Drucks“, die bei der Terrorbekämpfung eingesetzt wird und 1987 durch den so genannten „Landau-Bericht“ gerechtfertigt worden war. Die Vertreter verschiedener israelischer Menschenrechtsorganisationen waren gegen diese Praxis vor Gericht gezogen.

Rechtsanwalt Avigdor Feldman kommentierte das Urteil nun als ein „Ehrenzeugnis für den Rechtsstaat“. Der Anwalt hatte erst vor kurzem den jungen Deutschen Steven Smyrek verteidigt, der sich unter anderem aufgrund seiner Mitgliedschaft in der schiitischen Untergrundbewegung Hisbollah vor einem Tel Aviver Gericht verantworten musste und zu zehn Jahren Haftstrafe verurteilt wurde. Auch Smyrek ist sehr wahrscheinlich in der Zwischenzeit Opfer des „moderaten physischen Drucks“ gewesen.

Die Anwälte der Menschenrechtsorganisationen hatten sich vor allem gegen die berüchtigte Methode der „Tiltulim“ gewandt, bei der der Verhörte mit verbunden Augen auf einen Stuhl gebunden wird, während ihn die Beamten heftig hin und her wippen. Bei dieser Anwendung war vor einigen Jahren ein Palästinenser zu Tode gekommen. Hanna Friedmann, Vorsitzende des „Öffentlichen Komitees gegen Folter in Israel“, spricht außerdem von „17 weiteren Folteropfern“ in den Vorjahren. Der Schabak habe es sich zur Methode gemacht, „bei jedem, der das Verhörzimmer betritt, die üblichen Foltermethoden anzuwenden“. Dabei sei es nicht allein um potenzielle „tickende Bomben“ gegangen – das ist der einschlägige Begriff für diejenigen, die verdächtigt werden, unmittelbar bevorstehende Attentate vorzubereiten und Informationen zu besitzen, mit denen der Anschlag möglicherweise vereitelt werden kann.

Nur in diesen Fällen war seit 1995 die „Tiltulim“-Methode zulässig gewesen. „Der Schabak hat willkürlich die Leute missbraucht, um Informationen zu sammeln“, erklärte Hanna Friedmann gegenüber der taz. Im Verlauf des Prozesses hatte die Staatsanwaltschaft die „Notwendigkeit der Verteidigung“ in den Mittelpunkt ihrer Strategie gestellt. Staatsanwalt Schai Nitzan erklärte, die Verhörbeamten seien von jeglicher Verantwortung befreit, da sie versuchten, Menschenleben zu retten und Terrorakte zu verhindern.

Die Debatte um Folter und ihre Rechtfertigung dauert seit über zwanzig Jahren an. Israels früherer Premierminister Menachem Begin forderte 1977 als einer der Ersten, „nicht Gewalt, sondern der Verstand des verhörenden Beamten“ sollten die Informationen aus dem Verhaftenen herausbringen.

Erst zehn Jahre später wurde unter dem Vorsitz von Richter Mosche Landau, der einst zum Richtergremium beim Prozess gegen Adolf Eichmann gehörte, eine Kommission einberufen, die die Verhörmethoden des Schabak untersuchen sollte. Diese Kommission formulierte den zweifelhaften Begriff des „moderaten physischen Drucks“, der in Fällen einer „tickenden Bombe“ legal sei. Der so genannte Landau-Report diente fortan als legale Rechtfertigung für die Verhörmethoden des Schabak.

Trotz der heftigen Debatte dauerte es bis 1994, bis der öffentliche Widerstand gegen die Folter in konkreten Petitionen vor dem obersten Gerichtshof Ausdruck fand. „Wir hätten nicht damit gerechnet, dass das Urteil so gut sein würde“, kommentierte Hanna Friedmann ihren Erfolg.