: Keiner stoppt das Morden in Osttimor
■ Friedensnobelpreisträger Belo: Indonesische Soldaten und Milizen arbeiten Hand in Hand. Der IWF sperrt Indonesien zugesagte Kredite, die USA stellen ihre Militärhilfe ein. UNO-Truppe „derzeit“ nicht willkommen
Jakarta (taz) – Drei Tage nachdem die indonesische Regierung das Kriegsrecht über Osttimor verhängt hat, terrorisieren proindonesische Banden und ihre Helfer die Bevölkerung ungehindert weiter. Flüchtlinge berichten von grauenhaften Massakern. Der Chor der internationalen Empörung wird immer lauter, doch niemand ist bereit oder in der Lage, das Morden zu beenden. In der Hauptstadt Dili und zahlreichen anderen Orten stehen Häuser, Kirchen und Geschäfte in Flammen. Im belagerten Gebäude der UNO-Mission in Osttimor bereiteten sich gestern Abend etwa 1.000 Flüchtlinge und 80 UNO-Mitarbeiter angsterfüllt auf die Nacht vor. Unter den Augen indonesischer Soldaten hatten Milizen am Nachmittag das angrenzende Gelände gestürmt, UNO-Fahrzeuge geplündert und Gebäude in Brand gesteckt. In der Nähe zündeten sie ein Kloster an, die Nonnen konnten gerade noch fliehen.
Die Behörden in Jakarta erklärten unermüdlich, dass in Dili wieder Ruhe eingekehrt sei. Doch davon war vor Ort wenig zu spüren: Milizen beschossen UNO-Konvois, die zum Flughafen fuhren, um im Laufe des Tages etwa 500 Flüchtlinge und Unamet-Mitarbeiter zu evakuieren.
„Ich sah, wie die Milizen die Kirchen angriffen“, berichtete der philippinische Pater San Juan nach seiner Flucht aus Osttimor nach Australien dem Sydney Morning Herald. Flüchtlinge seien erschossen oder niedergestochen worden. Der Pater: „Die indonesische Polizei und die Militärs standen daneben.“
Friedensnobelpreisträger Bischof Carlos Belo, der Mitte der Woche inkognito nach Darwin fliehen musste, bestätigte die enge Zusammenarbeit zwischen den bewaffneten Banden und den Soldaten. Die Militärs würden nachts ihre Uniformen mit denen der Milizen vertauschen und plündernd durch die Straßen ziehen. Der Vatikan, UNO-Menschenrechtskommissarin Mary Robinson, Bürgerrechtler und Demonstranten in vielen Ländern haben gefordert, schnell eine Friedenstruppe zu entsenden. Die USA kappten gestern ihre bilateralen militärischen Beziehungen zu Indonesien. Der IWF legte die Auszahlung von Krediten auf Eis. Doch trotz der wachsenden internationalen Kritik gab Armeechef Wiranto keinen Zentimeter nach: Eine internationale Friedenstruppe sei „derzeit“ nicht willkommen.
Jutta Lietsch
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