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Rentenschock schon auf Lager

■  Das Verfassungsgericht will laut einem Zeitungsbericht beschliessen, dass auch Rentner Steuern zahlen. Die Renten würden sinken, die Belastungen für den Haushalt steigen

Berlin (taz/dpa) – Die Debatte über Rente und Haushalt in der Bundesrepublik muss möglicherweise völlig neu geführt werden. Nach einem Bericht der Bild am Sonntag hat der Zweite Senat des höchsten deutschen Gerichts bereits entschieden, dass auch Rentner (wie Beamte) Steuern auf ihre monatliche Altersversorgung bezahlen müssen. Das hätte gravierende Auswirkungen darauf, mit welchem Modell das derzeitige Niveau der Renten zu halten wäre. Und auch der Bundeshaushaushalt würde empfindlich getroffen, weil er mit über 12 Milliarden Mark zusätzlich belastet würde.

Die Präsidentin des Karlsruher Gerichts, Jutta Limbach, dementierte gestern zwar, dass der Zweite Senat mit seiner allenthalben erwarteten Rentenentscheidung schon so weit sei. Nach Informationen der taz aber ist auch im Bundesfinanzministerium bekannt, dass der Beschluss zur Rente so gut wie fertig ist. Der berichterstattende Verfassungsrichter Paul Kirchhof habe seine Beschlussformulierungen bereits abgeschlossen.

Das Urteil bedeutet für heutige und künftige Rentner, dass nach einer zu erwartenden Übergangsfrist von etwa 15 Jahren alle Renten wie Arbeitslöhne versteuert werden müssen. Renten, die höher sind als 19.067 Mark im Jahr (steuerfreies Existenzminimum von 13.067 Mark plus Versorgungsfreibetrag von 6.000 Mark im Jahr), würden dann wegen des Steuerabzugs sinken.

Für den Finanzwissenschaftler Bert Rürup, Mitglied der Rentenkommission der Bundesregierung, ist mit der bevorstehenden Verkündung des Verfassungsgerichtsurteils der richtige Zeitpunkt gekommen, dass sich alle Parteien auf eine langfristig verbindliche Regelung für künftige Rentenanpassungen einigen. „Eine grundlegende Reform kann und sollte die Regierung nicht allein machen.“

Der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Klaus Müller, sagte: Wenn die Meldung zutreffe, würde „ein einschneidendes Urteil“ die Rahmenbedingungen für die notwendigen Reformen gravierend verändern. Hermann Kues, stellvertretender Chef der Unionsfraktion, meinte: „Das Karlsruher Urteil wird die Bundesregierung in eine Riesenfinanzierungslücke stürzen.“ Es gehe um einen zweistelligen Milliardenbetrag.

Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) wird in dieser Woche mit Gewerkschaften und Arbeitgebern über die tarifliche Einbindung einer privaten zusätzlichen Altersvorsorge sprechen. „Wir werden es jetzt einerseits über steuerliche Anreize zur privaten Altersvorsorge versuchen ... Andererseits werde ich mit den Tarifparteien beraten, ob wir allgemeine betriebliche und tarifrechtliche Regelungen für eine zusätzliche Altersversorgung treffen können“, sagte Riester. cif

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