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Der Falschspieler und der Papiertiger

■ Jörg Haider ist nicht mehr allein die FPÖ. Der Industrielle Thomas Prinzhorn mischt mit

Wien (taz) – „Er ist der Mediator der Mediokren, kein fähiger, sondern ein zu allem fähiger Politiker. Beim Poker wäre er nicht der beste Bluffer, vielmehr der offensichtlichste Falschspieler“, hat der in Tel Aviv geborene Schrifsteller Doron Rabinovici in der jüngsten Ausgabe der Tageszeitung Die Presse über Jörg Haider geschrieben. Da ist was dran.

Haider lässt sich von Tatsachen nicht beirren, wenn das Gegenteil zu behaupten opportun ist. So behauptet er, österreichische Kinder würden als Konsequenz der „galoppierenden Überfremdung“ gezwungen, „seitenweise türkische und serbokroatische Texte“ in ihren Schulbüchern zu lesen. Und die Drogendealer, soweit sie nicht „im Designeranzug und mit Luxushandy“ frei herumlaufen und unsere Kinder verführen, könnten vom Gefängnis aus auf Staatskosten ihre Geschäfte telefonisch weiter betreiben und beim Essen aus fünf Gerichten auswählen. Klar, dass sich die (vor allem schwarzafrikanischen) Rauschgiftcapos in Österreich wohl fühlen.

Haider, mit 49 Jahren der jüngste Obmann der im Parlament vertretenen Parteien, gleichzeitig aber der dienstälteste, hat es immer schon verstanden, das zu sagen, was man von ihm hören wollte. Als er als junger Sozialsprecher der FPÖ seine ersten Gehversuche in der Politik machte, galt er als Linker. In einer Partei, die nach dem Krieg (damals als Verband der Unabhängigen VDU) als Sammelbecken von Altnazis gegründet wurde, war das in den Siebzigerjahren nicht schwer. Doch bald darauf wurde er von den Deutschnationalen entdeckt.

In Kärnten, wo der Anteil der Braunen immer schon besonders hoch war, sorgte er mit Ansprachen vor Veteranentreffen der SS und der Einstufung Österreichs als „ideologische Missgeburt“ für heftige Kontroversen. Deftige Sprüche gegen die slowenische Volksgruppe in Kärntnen bescherten ihm Popularität. Mit dem südlichsten Bundesland, dem er seit April als Landeshauptmann vorsteht, verbindet Jörg Haider mehr als die Ideologie. In den Achtzigerjahren überschrieb ihm ein Onkel das Bärental, einen Forstbesitz im Wert von 20 Millionen Mark, der ihm völlige wirtschaftliche Unabhängigkeit verschaffte (siehe auch taz vom 29. September).

Nachdem Haider 1986 den Parteivorsitz übernommen hatte, wurde ihm das deutschnationale Lager zu eng. Die FPÖ dümpelte damals um die Fünf-Prozent-Marke herum. Um die großen Parteien herausfordern zu können, musste er aus der extremistischen Ecke heraus. Aus Deutschtümelei wurde über Nacht Österreichpatriotismus, und statt gegen die integrierten slowenischen Minderheiten in Südkärnten zu treten, entdeckte er die Ausländer als neues Ziel seiner Attacken. Xenophobie ist in Österreich mehrheitsfähig. Die wildesten und irrationalsten Attacken provozierten auch den nachhaltigsten Applaus, als Haider am Freitag bei seiner Schlusskundgebung auf dem Wiener Stock-im-Eisen-Platz noch einmal alle niederen Emotionen mobilisierte.

Der durchschlagende Erfolg des rechten Populisten wäre aber ohne seinen persönlichen Einsatz nicht zu erklären. Auch in Zwischenwahlzeiten tingelt er durch die Lande, setzt sich mit Bauern, Arbeitern und Angestellten an den Biertisch. Am Weihnachtsabend erinnert sich an Dienst tuende Nachtportiers und zückt für mittellose Witwen das persönliche Scheckbuch.

Haider großes Handikap ist, dass er Alleinunterhalter bleiben will und entgegen anders lautenden Beteuerungen in seinem Schatten niemanden groß werden lässt. Umso erstaunlicher, dass er sich im Endspurt des Wahlkampfes entschloss, einen, der selbst ausreichend Profil und Selbstbewusstsein hat, als Spitzenkandidaten aufzustellen. Der Papierindustrielle Thomas Prinzhorn, 56, hat so viel Kapital, dass er weder Haider noch die FPÖ braucht, um sich in Szene zu setzen.

Der Mann, der sich gern mit einer Kettensäge abbilden lässt, sieht sich als Vorreiter der Umweltbewegung. Denn er entdeckte die Altpapierverwertung als hoch rentable Branche, als andere Wirtschaftsleute die Idee des Recycling noch als Spinnerei von bärtigen Grünen abtaten. Der Mann, der gegen staatliche Interventionen und Subventionspolitik in der Wirtschaft wettert, hat selbst sehr gut verstanden, durch Exportförderungen und staatliche Finanzierungsgarantien sein Vermögen zu mehren. Gleichzeitig profitiert er von Transaktionen über das karibische Steuerparadies Curaçao und kauft osteuropäische Firmen auf, die dem hereinbrechenden Kapitalismus nicht gewachsen waren.

Prinzhorn hat die von den Wirtschaftsbossen bisher belächelte FPÖ bei den Unternehmern salonfähig gemacht. Auch für die christdemokratische ÖVP wäre eine Koalition mit ihm leichter als mit Haider. Die Konservativen stört an ihm nur der private Liberalismus. Der allein stehende Lebemann hat mit fünf Frauen insgesamt sieben Kinder. Ralf Leonhard

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