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Leiser Abschied vom Doppel

Wandsbek hat als erster grüner Kreisverband nur eine SprecherIn: „Die effizienteste Methode zu arbeiten“. Modell für Hamburg?  ■ Von Peter Ahrens

Es war einmal die Doppelspitze, und sie war unantastbar, ein Essential der grünen Parteistruktur. Joschka Fischer rüttelt inzwischen heftig dran, auf der Bundesebene wirds diskutiert, und der Kreisverband Wandsbek hat sich bereits von ihr verabschiedet. Als erster Kreisverband der GAL haben die WandsbekerInnen jetzt mit Astrid Boberg eine gewählte Sprecherin und mit Ingo Rahlf einen Stellvertreter.

„Das ist nun mal die effizienteste Methode zu arbeiten“, sieht Boberg darin gar kein Problem. Jetzt habe der Kreisverband eine fest definierte Ansprechpartnerin. Es gebe eben „einen Unterschied zwischen Theorie und Praxis“, und das Thema hält sie ohnehin für „überbewertet“. Und wenn es den Mitgliedern nicht passt, hätten sie ja jederzeit die Chance, wieder zur Doppelspitze zurückzukehren. Die Abkehr vom Zweiermodell in der Führung ist auch ein Ergebnis der Erosion der Parteilinken in Wandsbek: Gut 20 Mitglieder, darunter drei der ursprünglich sechsköpfigen Bezirksfraktion, haben die GAL in Richtung Regenbogen verlassen.

Bobergs Fazit aus dieser „Krise“: „Das Arbeiten ist seitdem viel entspannter geworden, freundlicher und friedlicher.“ Und es sei auch nicht wahr, dass es nach dem Gang zum Regenbogen keine Parteilinke mehr in Wandsbek gebe. Zum Beweis macht Fraktionsgeschäftsführer Bernd Pentzien drauf aufmerksam, dass man heute eine Veranstaltung zum Thema Abschiebung anbietet. „Linke Themen werden bei uns weiter besetzt.“ Landesvorstandssprecher Peter Schaar, der eine Teil der Doppelspitze auf Landesebene und selbst Mitglied in Wandsbek, verfolgt den Weg des Kreisverbandes als ausgewiesener Realo mit Sympathie. „Man wird sich in Ruhe anschauen müssen, wie das funktioniert und welche Auswirkungen dieses Modell hat“, äußert er sich alles andere als ablehnend zum Wandsbeker Experiment. Die Diskussion um Beibehaltung oder Abschaffen gehört für ihn „ohnehin in die Partei und nicht so sehr in die Öffentlichkeit“. Wenn sich herausstellt, dass es klappt, stünde als nächstes auch die Trennung von Partei und Mandat auf dem Prüfstand.

Kordula Leites, die Partnerin von Schaar in der Führung der GAL, gilt dagegen als Anhängerin der Doppelspitze und hat den Vorstoß Joschka Fischers zu diesem Thema vor zwei Wochen scharf kritisiert. „Es gibt allerdings in allen Bezirken Abweichungen von der Satzung, die sich oft in den Alltag eingeschlichen haben“, hat sie festgestellt. Deswegen arbeite man bei der GAL auch angestrengt an einer Satzungsdebatte, die spätestens bis zum Frühjahr klar machen soll, wie es strukturell mit der Partei weitergeht.

Auf jeden Fall solle dabei eine Vereinheitlichung für alle Hamburger Kreisverbände herauskommen. Gut möglich, dass am Ende der Debatte auch stehen könnte, dass die Doppelspitze für die ganze Hamburger Partei verbindlich bleibt. Dann müsste sich Boberg wieder einen Kompagnon suchen.

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