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Borttschellers 'schützende Hand'

■ Deckte die Spitze der Innenbehörde Bestechlichkeit und Untreue im Schaustellergewerbe? Borttscheller hielt schon als Senator seine schützende Hand über Angeklagte

Wer über die Zulassung von Schaustellern auf dem Freimarkt entscheiden kann, entscheidet über viel Geld. Das ist der Grund, warum die Staatsanwaltschaft mit besonderes kritischen Augen die großzügigen Geschenke betrachtet hat, die der frühere Marktmeister Wolfgang Ahrens von Schaustel-lern bekommen hat, die er für das Freimarkt-Geschäft zugelassen hat: Bestechlichkeit, Vorteilsnahme, Untreue sind die strafrechtlichen Vorwürfe.

Einer, der keine Bedenken gegen die Verquickung von Ahrens' dienstlichen und privaten Angelegenheiten hatte, war der Innensenator Ralf Borttscheller. Aber Borttscheller hatte sich nicht nur für Ahrens stark gemacht, auch für den Schausteller Klaus Renoldi, der wegen des Vorwurfs der Anstiftung zum Mord derzeit in Nürnberg vor Gericht steht. Der von Renoldi gedungene Täter, der mit dem Messer auf einen Konkurrenten losgegangen war, ist von demselben Gericht zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden.

Ausgerechnet Borttscheller tritt derzeit als Verteidiger von Renoldi vor dem Strafgericht in Nürnberg auf und er will sich partout nicht mehr daran erinnern, was er vor einem Jahr für Renoldi getan hat. Auf die Frage des Buten&Binnen-Reporters, ob er in seiner Zeit als Innensenator und Vorsitzender des Bremer Marktausschusses nicht die „schützende Hand“ über Renoldi gehalten habe, als es um dessen Zulassung für den Freimarkt 1998 ging, antwortete Borttscheller vor laufender Kamera so: „Ich musste nicht die schützende Hand darüber halten, weil schon die Verwaltung in einer abschließenden Prüfung zu der Auffassung kam, dass das Geschäft in der damaligen Inhaberschaft zugelassen werden könne.“

Wahr ist, dass die Mitglieder im Marktausschuss sich da ganz anders erinnern. Hermann Kleen (SPD), Sprecher des Gremiums: Aufgrund der strafrechtlichen Vorwürfe sei der Leiter des Stadtamtes „dagegen“ gewesen, Renoldi-Geschäfte zuzulassen. Rolf Herdehorst, CDU-Mitglied im Marktausschuss erinnert sich auch an eine Stellungnahme des Stadtamtes gegen die Zulassung Renoldis - „ich glaube schriftlich sogar“. Borttscheller, der als Senator letztlich die Entscheidung treffen kann, habe das Stadtamt dazu gedrängt, für Renoldi zu entscheiden. Renoldi wurde zugelassen – auf diesem Freimarkt 1998 dann aber verhaftet. Er sitzt seitdem in Untersuchungshaft.

Als es wenige Wochen nach dem Freimarkt im Herbst 1998 um die Zulassungen für Buden auf dem Marktplatz für den Weihnachtsmarkt ging, da hat Borttscheller sogar die Zulassung der Renoldi-Buden, die auf die Namen seiner Frau und seiner Kinder übertragen worden waren, „persönlich angeordnet“. Aus Protest gegen dieses Vorgehen hat der Marktausschuss sich damals zu einer Sondersitzung getroffen.

Borttscheller begründete seine Entscheidung immer auch damit, dass Renoldi trotz des schwerwiegenden Vorwurfes auch auf dem Oktoberfest zugelassen worden sei. Dort hatte sich ein SPD-Stadtrat, dessen Frau durch eine Taufpatenschaft mit der Renoldi-Familie verbunden ist, die Zulassung gegen die ablehnende Haltung der CSU durchgesetzt.

Gegen den erfolgreichen Renoldi hat es in Schausteller-Kreisen immer schwere Vorwürfe gegeben. Schausteller-Vertreter Karl-Heinz Fehrensen hat einmal Mitgliedern des Marktausschusses erklärt: „Renoldi schickt seine Schlägertrupps. Keiner traut sich, etwas zu sagen.“ Das war lange bevor Renoldi den Messerstecher losgeschickt hat.

Dass ausgerechnet Borttscheller, der in das Anwaltsbüro Hammann eingetreten ist, den Schausteller Renoldi vertritt, ist auch aus einem anderen Grunde höchst pikant: Das Büro Hammann vertritt auch den Marktmeister Ahrens. Bei der Staatsanwaltschaft Bremen gibt es allerdings ein Ermittlungsverfahren Renoldi-Ahrens, das bisher nicht in die Anklage gegen Ahrens einbezogen ist: Es liegt eine anonyme Anzeige vor, nach der Ahrens auch von Renoldi mit bestechend großzügigen Geschenken bedacht worden sein soll. Der entscheidende Zeuge, der das bestätigen könnte, wird derzeit von Borttscheller beraten; er heißt – Klaus Renoldi.

K.W.

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