: Endlich nicht mehr allein
■ Wie kann man Frauen für ein Informatikstudium begeistern? Zum Beispiel mit einer Sommerakademie wie der Informatica Feminale
Bis zum Jahr 2005 will das Bundesbildungsministerium mehr Frauen in die Informatik locken: bei vierzig Prozent soll der Frauenanteil dann liegen. Schließlich boomt die IT-Branche. Doch der Anteil von StudentInnen im Fach Informatik liegt im Bundesdurchschnitt bei gut neun Prozent. Bei der Sommerakademie Informatica Feminale in Bremen ging es darum, wie man „das Informatikstudium für Frauen interessanter machen kann“.
Für Informatikerinnen war die Informatica Feminale eine ganz neue Erfahrung. Hier studierten 230 Frauen im Sommerstudium unter sich, 14 Tage lang. Viele waren zum ersten Mal nicht in der Minderheit. Die Veranstalterinnen wurden mit Anmeldungen überschwemmt. Mehr als siebzig Dozentinnen aus dem In- und Ausland lockten mit erstklassigen Lehrprogramm nach Bremen.
Das Resümee der Teilnehmerinnen: „total klasse“. „Jetzt weiß ich, dass es noch andere Informatikerinnen gibt – in allen Farben, Größen, Alter“, sagt Brigitte aus Salzburg. Die bunte Mischung der Gruppen wurde von vielen geschätzt. „Hier übe ich Zusammenarbeit mit Frauen, mit denen ich sonst wenig zu tun habe“, sagt eine andere Teilnehmerin. In den Dozentinnen fanden die StudentInnen oft lang vermisste Vorbilder. „Das war ein Aha-Erlebnis“, erzählt Viola aus Berlin. „Hier gibt es Frauen, an denen ich mich orientieren kann, die Spaß am Informatik-Beruf haben.“
Die Informatica Feminale war auch Experimentierfeld für eine andere Lern- und Lehrkultur. „Es gab keine Hierarchien“, sagt Brigitte. Die Dozentinnen besuchten Kurse, Studentinnen hatten Kurse organisiert. Gelobt wurde vor allem die Fragekultur. „An der normalen Uni“, sagt Viola, „wird kaum etwas gefragt.“ Vor allem Frauen fragen selten. „Hier wurde total viel nachgebohrt.“ Ohne Scheu.
Für die Organisatorinnen Karin Vosseberg und Veronika Oechtering zählt noch etwas anders: Die Erfahrung, dass es Gleichgesinnte gibt, die anderswo mit den gleichen Problemen kämpfen. Viele Schwierigkeiten der Studentinnen lägen an den Strukturen der Universitäten: Die Studienordnungen der Informatik müssten geändert werden.
Knackpunkt Nummer eins: fehlende Programmierkurse. Im Vergleich zu ihren männlichen Kommilitonen haben Frauen meistens keine Hacker-Vergangenheit. Zwar werden Programmierkenntnisse offiziell von den StudienanfängerInnen nicht verlangt. Aber viele Frauen glauben, dass sie hier Defizite hätten. „Die Unis sollten Programmierkurse zumindest anbieten, anstatt das stillschweigend vorauszusetzen“, fordern die Teilnehmerinnen der Informatica Feminale. Die Programmierkurse für das Sommerstudium der Informatica Feminale waren schnell ausgebucht. Fortsetzungskurse stehen auf der Wunschliste für das nächste Mal ganz oben.
Früher lag der Frauenanteil im Fach Informatik bei gut zwanzig Prozent. Erst mit dem General-Einzug des PCs in die Haushalte kam der Einbruch. Das war Mitte der Achtzigerjahre. Die neue Technik blieb in Männerhand. Lehrer, Schüler, Väter, Söhne waren am Computer unter sich. „Da hat sich ein falsches Bild über das Informatikstudium festgesetzt“, glauben die Informatikerinnen: Ein Bild von Programmiercliquen und Hackern. Eine Gemeinschaft, die Frauen ausschließt. Dabei orientiert sich das Informatik-Studium viel mehr an der Mathematik als am Programmieren.
Die Informatica Feminale war für die Teilnehmerinnen Stress und Arbeit haufenweise. Einen ganzen Semesterkurs kompakt-gepresst in 14 Tagen. Schließlich wollten die Teilnehmerinnen während der Sommeruniversität Scheine machen, die sie sich an ihren Heimatunis anrechnen lassen können.
Das Stimmungsbarometer nach 14 Tagen Informatica Feminale zeigte sonniges Hoch. Begeisterung mal 230. Katrin will an ihrer Fachhochschule in Ilmenau Kontakt zu Informatikerinnen in anderen Semestern aufnehmen. „Gerade für Erstsemstlerinnen ist das wichtig – die denken doch, sie sind allein auf der Welt.“ Andere wollen ein Stipendium verlosen: Für die nächste Informatica Feminale. pipe
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen