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Nach dem Kosovo-Krieg hält sich der Westen zurück

■ Mit Verspätung und großer Zurückhaltung beginnen die europäischen Organisationen, die Bombenangriffe auf Grosny zu kritisieren. Zudem lehnt Moskau jede Vermittlung ab

An Versuchen, Parallelen zwischen dem zweijährigen Krieg Russlands gegen Tschetschenien und den jüngsten Angriffen zu ziehen, mangelt es nicht. Und doch bestehen gravierende Unterschiede: War der mörderische Feldzug seinerzeit von zeitweilig scharfen Protesten aus dem Ausland begleitet, sind die internationalen Reaktionen jetzt verhalten. Jedoch: Nachdem die russische Luftwaffe mit ihren Bomben über hunderttausend Menschen in die Flucht getrieben hat, bewegt sich langsam etwas.

Das Europaparlament verurteilte gestern mit Nachdruck die russische Militärintervention in Tschetschenien. Es forderte die Regierung in Moskau auf, die Sicherheit auf dem gesamten Gebiet der Russischen Föderation wiederherzustellen. Gleichzeitig reiste gestern die Außenminister-Troika der Europäischen Union unter Führung von Finnlands Außenministerin Tarja Halonen nach Moskau. Einer der Tagesordnungspunkte: Tschetschenien.

Für die grüne Europaabgeordnete Elisabeth Schroedter muss das Ziel des Besuches sein, „Gesprächsebenen wieder zu öffnen“, wenn nötig mit politischem Druck und der Androhung von Sanktionen. Dazu gehöre beispielsweise ein zeitlich befristetes Aussetzen der sogenannten Tacis-Programme. „Den Russen muss klargemacht werden, dass ganz Europa eine Verantwortung für den Kaukasus trägt“, sagt Schroedter. Und: Schließlich hätten die Russen während der Kosovo-Krise darauf gepocht, dass ein Militäreinsatz keine Lösung sei.

Auf Verhandlungen setzt auch Außenminister Joschka Fischer. Eine Lösung sei nur durch einen politischen Dialog Moskaus mit den moderaten Kräften in Tschetschenien zu erreichen, nicht durch eskalierende Gewalt, sagte Fischer am Mittwoch und sparte auch nicht mit Kritik an der russischen Führung.

Dass diese klare Verurteilung erst jetzt erfolgt, liegt zweifellos auch am Nato-Krieg gegen Jugoslawien und der besonderen Rolle, die Russland bei dessen Lösung hatte. Oder wie es in einer Erklärung des außenpolitischen Sprechers von Bündnis 90/Die Grünen, Helmut Lippelt, heißt: „Nach unserer Zustimmung zu den Nato-Bomben im Kosovo-Krieg schien es uns zunächst, als hätten wir das Recht verloren, gegen die russischen Bomben auf Tschetschenien zu protestieren.“

Auch Klaus Naumann, General a.D. und bis Mai Vorsitzender des Nato-Militärausschusses, sieht diesen Zusammenhang. Das Schweigen der Nato bedrücke ihn auch, sagte er in einem Interview. „Wir müssten den Russen klipp und klar sagen, was uns nicht gefällt, und sie ohne den Anspruch auf Einmischung auffordern, Verhältnismäßigkeit im Kampf gegen Terroristen zu wahren.“

Doch für eine diplomatische Lösung stehen die Chancen schlechter denn je. So warnte das russische Außenministerium die EU und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) gestern erneut vor einer Einmischung in die „inneren Angelegenheiten“ Russlands. „Wir brauchen jetzt keine Vermittlung“, betonte ein Sprecher.

Kaum noch Möglichkeiten für Verhandlungen sieht auch ein Vertreter der OSZE in Wien. „Da geht im Moment nichts mehr. Die russische Seite hat klargemacht, dass sie an einer aktiven Vermittlungsrolle internationaler Organisationen kein Interesse hat.“

Indes ist ein weiterer Vermittlungsversuch geplant: In der nächsten Woche reist Fischer nach Nowgorod, um mit seinem russischen Amtskollegen Igor Iwanow über Tschetschenien zu sprechen. Ob der ein offenes Ohr dafür hat, ist fraglich.

Barbara Oertel, Berlin

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