: Die Tafel bittet zu Tisch
Für Menschen, die am unteren Ende der Einkommenskala leben, existieren mittlerweile verschiedene Hilfsangebote zur Ernährung. Der Bundesverband Deutsche Tafel etwa vermittelt Lebensmittel an Bedürftige. Dahinter steht der Umstand, dass täglich in Deutschland rund zwanzig Prozent aller Lebensmittel weggeworfen werden. Lebensmittel, die in Ordnung sind, aber zu viel geordert, überproduziert oder einfach nicht verkauft wurden.
Ehrenamtliche Helfer der gemeinnützigen Vereine sammeln nicht benötigte, aber einwandfreie Lebensmittel und verteilen sie an bedürftige Menschen in Obdachloseneinrichtungen, Asylbewerberheimen, Frauenhäusern und anderen sozialen Einrichtungen. „Wir versuchen die Sozialarbeiter in den verschiedenen Einrichtungen zu entlasten, denn so brauchen sie sich nicht auch noch um die Essensversorgung zu kümmern, sondern können sich auf den Kampf um den Erhalt ihrer Einrichtungen konzentrieren“, sagt Sabine Werth, Gründerin und Vorsitzende der Berliner Tafel.
Konnten manche Stellen früher lediglich Suppe anbieten, so gibt es jetzt auch manchmal Obst, Kuchen, Milchprodukte und sogar Fleisch. Die Nahrungsmittel werden meist kurz vor Ablaufen des Haltbarkeitsdatums von Unternehmen oder Läden gespendet.
Die Idee für die Tafeln stammt aus dem USA. Nach dem Motto: Helfen mit einfachen, direkten Mitteln, ohne große Verwaltung und Organisation, wurde in New York 1983 das Projekt City Harvest gegründet, was so viel heißt wie „Stadternte“. 1993 wurde die erste deutsche Tafel in Berlin gegründet. Mittlerweile gibt es im Bundesgebiet 221 Tafeln; fünfzehntausend ehrenamtliche Helfer versorgen täglich bis zu hunderttausend bedürftige Menschen mit etwa hundert Tonnen Lebensmitteln im Wert von rund einer halben Million Mark.
Die Tafel verzichtet auf Hierarchien, Verwaltungen oder Kommissionen. Die Idee lebt von Menschen, die ihre Freizeit einsetzen. Neben diesem ehrenamtlichen Engagement sind in vielen Tafeln gemeinnützige Arbeitsplätze entstanden. Rund fünfhundert Arbeitslose haben über ABM-Maßnahmen wieder den Weg in eine geregelte Beschäftigung gefunden.
Anlässlich seines Jahrestreffens in Stuttgart habe man festgestellt, so Karl Wolf vom Caritasverband, „dass wir unter dem Aspekt des Wachstums ein Spitzenunternehmen sind“. Alleine in den vergangenen zwölf Monaten habe sich die Zahl der Tafelvereine in Deutschland annähernd verdoppelt.
Könnte das Prinzip der Tafel als Pate für ein neues Dienstleistungsverständnis stehen? „Nein“, meint Sabine Werth. „Wohltätigkeit darf kein Ersatz für professionelle Arbeit werden.“ Der Staat habe die soziale Verantwortung für die Menschen und dürfe sich dieser Verantwortung nicht noch weiter entziehen. Songül Çetinkaya
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