Bezirke werden übergangen

Änderung des Berliner Baugesetzes gefährdet die ökologische Stadtentwicklung  ■   Von Martin Kaluza

Der Senat hatte es diesmal besonders eilig. Unbedingt noch vor den Wahlen wollte Bausenator Jürgen Kleemann (CDU) den „Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Baugesetzbuchs“ durch das Abgeordnetenhaus peitschen. So wurden sowohl die Umweltverbände als auch die Bezirke regelrecht überrumpelt: Die in der letzten Sitzung des Abgeordnetenhauses am 23. 9. beschlossene Änderung sieht vor, dass sie künftig keine Mitsprache mehr bei Bauprojekten haben, die der Bausenat als besonders stadtrelevant erachtet. Damit, so die Pressesprecherin der Grünen Liga, Corinna Seide, werde „der Bock zum Gärtner“ gemacht.

Die Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN), in der unter anderem der B.U.N.D., der Touristenverein „Naturfreunde“ und das Naturschutzzentrum Ökowerk vertreten sind, bedauert es, „in den Diskussionsprozess nicht früher einbezogen worden“ zu sein. Für eine genaue inhaltliche Prüfung der Gesetzesnovelle, so die Umweltschützer, sei keine Zeit geblieben.

In einem Brief hatte die BNL noch in letzter Minute versucht, Umweltsenator Peter Strieder (SPD) davon zu überzeugen, seinen Einfluss gegen das Vorhaben geltend zu machen – vergebens.

In drei Bereichen sah die BNL die Belange des Naturschutzes massiv berührt: Rechtsverordnungen zur Kostenerstattung für Ausgleichsmaßnahmen sollen künftig in der Bauverwaltung erarbeitet werden und nicht mehr in der Umweltverwaltung. Ausgleichsmaßnahmen werden fällig, wenn durch Baumaßnahmen ein Stück Natur zerstört wird. Der Ausgleich folgt beispielsweise in Form von Parks, Entsiegelungen, Baumpflanzungen oder der Renaturierung von Fließgewässern. Zwar habe, so die BLN, der Umweltsenator hier weiterhin ein Mitspracherecht, doch würde es der Verband bevorzugen, wenn die Richtlinien im Umweltsenat erarbeitet würden.

Zudem befürchten die Naturschützer, dass durch eine Ausnahmeregelung des Flächennutzungsplanes demnächst geändert werden kann, ohne die Meinung der Verbände dazu im Voraus zu hören.

Besonders umstritten ist schließlich die Verlegung der Zuständigkeit für „Bauvorhaben von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung“. Wird ein Vorhaben entsprechend eingestuft, kann der Bausenat künftig allein darüber entscheiden. Der betroffene Bezirk hat dann kein Mitspracherecht mehr. Gegen diese Entmachtung haben die Bezirksbürgermeister einstimmig protestiert. Insbesondere wird kritisiert, dass nicht mehr genau geklärt wird, wann einem Vorhaben „außergewöhnliche stadtpolitische Bedeutung“ zugesprochen wird. Schönebergs Bürgermeisterin Elisabeth Ziemer (Bündnis 90/Grüne): „In den vergangenen Jahren gab es dafür einen Katalog von Kriterien, aber der fällt jetzt weg.“ Verwaltungsgerichte hätten bereits eingewandt, dass die Floskel von stadtpolitischer Bedeutung nicht als Rechtsbegriff tauge. Damit, so Ziemer, sei der Willkür des Bausenats Tür und Tor geöffnet.

Ziemer sieht in dem neuen Gesetz einen „Salto mortale rückwärts“, der die Politik der vergangenen Jahre auf den Kopf stelle: „Die Bezirke sollten mehr Kompetenz bekommen, dafür werden sie ja zusammengelegt.“

Dass die Bezirke nun weniger zu sagen haben, geht auch den Naturschützern gegen den Strich. Vor Ort, so die BLN in ihrem Brief, „können Fragen des Umweltschutzes besser beurteilt werden als in der Bauverwaltung“. Die Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt, dass die Bezirksregierungen häufiger aus Umweltgründen Bedenken gegen Baumaßnahmen haben als das Land.

Ein Beispiel dafür ist die Planung der Westtangente, die bei den Schönebergern auf wenig Gegenliebe stößt. Ziemer: „Wir wissen, wohin wir den Bezirk entwickeln wollen, und daran beteiligen wir die Anwohner. Die Westtangente wäre so ein Fall, in dem der Senat jetzt einfach bestimmen könnte, dem Bezirk die Planungskompetenz zu entziehen.“