: Groupies und Giftler
■ Marcel Gislers „F. Est Un Salaud“ auf den Lesbisch-Schwulen Filmtagen
Im Jahre 1979 machte Martin Frank mit seinem Roman Ter Fögi ische Souhung („Der Fögi ist ein Sauhund“) in der Schweiz Furore. Hierzulande ist die Geschichte aus dem Zürcher Rockmusik-, Drogen- und Strichermilieu aus sprachlichen Gründen kaum bekannt, denn der Autor bedient sich des Schweizerdeutschen, obendrein in einer eigenwilligen phonetischen Schreibweise. Vielleicht ändert sich das durch die 1998 entstandene Verfilmung von Marcel Gisler.
Der 16-jährige Beni (Vincent Branchet) hat keinen Bock auf Schule und Elternhaus, wichtiger sind die Rolling Stones – und deren (fiktive) Zürcher Lokalausgabe, die Minks. Besonders von deren Sänger, dem coolen Fögi (Frédéric Andrau), fühlt er sich unwiderstehlich angezogen. Er nähert sich ihm als Groupie und landet in Fögis Bett. Beni unterwirft sich Fögi als „Hund“, schläft in einer Zimmerecke, trägt ein Halsband und erklärt ihm: „Du kannst mich töten, wenn du willst.“ Er geht auf den Strich, um Fögis Drogeneskapaden zu finanzieren. Am Ende steht ein doppelter Selbstmordversuch. Alles wird aus Benis Perspektive ohne Moralisieren oder Rechtfertigung erzählt.
Gislers Filmadaption ist – trotz langer Haare und Joe Dallessandro-Poster – weit entfernt von modischer 70er-Jahre-Nostalgie. Originalmusik der Zeit wurde nur sparsam eingesetzt, das meiste von dem Berliner Musiker Rainer Lingk neu geschrieben. Ferner nimmt Gisler das Lokalkolorit stark zurück; so spricht man statt Schweizerdeutsch Französisch. „Die Story soll irgendwo spielen können, ein Kammerspiel“, erklärte der Regisseur dem Schweizer Schwulenmagazin ak.
Das ist überwiegend gelungen; die Darsteller machen die Dynamik zwischen den Protagonisten überzeugend sichtbar. Allerdings verliert die Geschichte durch ihre Loslösung von Zeit und Raum viel von ihrer rebellischen Provokation. Auch wird das Bild vom Hund in einigen surrealen Sequenzen etwas überstrapaziert. Dennoch ein sehenswerter Film. Jakob Michelsen
heute, Neues Cinema, 20 Uhr; der Regisseur ist anwesend. TV-Infos zu den Filmtagen, täglich 19 Uhr, Offener Kanal.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen