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Was ist geblieben von der DDR?„Soziale Wärme fehlt“

■ Ein Ostrentner klagt, dass der Westen die Wiedervereinigung nicht im Griff hat

Eigentlich ist gar nichts übrig geblieben. Die DDR hat zeit ihres Lebens über ihre Verhältnisse gelebt. Da war es relativ leicht, die sozialen Anliegen zu verwirklichen. Ich habe für meine Wohnung damals 84 Mark bezahlt, jetzt sind es 650. Die Rente jetzt ist ungefähr anderthalbmal so hoch, aber der Frisör kostet das Zehnfache, Straßenbahnfahren das Zwanzigfache. Dafür kostet ein Fernsehgerät nur ein Drittel. Aber unterm Strich ist es schon besser. Ich war Akademiker. Wo, sage ich Ihnen nicht. Ende 1990 bin ich in Rente gegangen. Das war ein idealer Zeitpunkt, sonst hätte man mich abgewickelt.

Am meisten vermisse ich die soziale Wärme. Ost- und Westrentner verbindet, dass die im Osten nur achtzig Prozent Rente kriegen. Aber ich habe schon Kontakte nach Westberlin. Meine Mutter war mit einer Frau befreundet, mit der sie 1916 auf eine Reichsbahnschule ging. Zu den vier Schwestern der Frau pflege ich heute noch Beziehungen, sogar sehr gute. Die sind auch nicht bestens situiert, die nähern sich mehr unserem Standard.

Des 9. Novembers sollte man auf jeden Fall gedenken, denn es ist ja nicht der Westen gewesen, der es gemacht hat. Der Westen hat nur genommen, was ihm in den Schoß gefallen ist. 10 Jahre sind vergangen und die haben die Wiedervereinigung immer noch nicht im Griff. Aber die Mauer in den Köpfen ist mehr verschwunden als wahrgenommen wird.

Aufgezeichnet: Barbara Bollwahn de Paez Casanova

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