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Quirlig durch die Tür

■ In der neu eröffneten, privaten Musikschule „Casa della Musica“kann man mehr lernen als bloß Gesang und Musik

Die Idee ist einfach. Und eigentlich so naheliegend, dass man sich wundert, weshalb nicht schon früher jemand darauf gekommen ist: Wie in einem Club steht den Mitgliedern von Bettina Pilsters neu gegründeter Musikschule für einen festen Monatsbeitrag von 49 Mark das gesamte Schulprogramm einschließlich Workshops, Seminaren, „musikalischen Stadtrundgängen“ und Bibliotheks-Benutzung offen. Seit einem knappen Monat betreibt die 30-Jährige im früheren Haus ihrer Eltern, einem Reihenhaus an der Hamburger Straße, ihre sogenannte „Casa della Musica“ und hat sich dafür ein äußerst unübliches Konzept ausgedacht.

Weil Pilster bei ihrer früheren Tätigkeit als private Klavier- und Gesangslehrerin gemerkt hat, dass das Fach Musiktheorie von SchülerInnen oft mit Langeweile in Verbindung gebracht wird, hat sie sich diesem Gebiet besonders angenommen. „Theorie muss man getrennt vom Instrumentalunterricht und altersübergreifend unterrichten“, lautet die wichtigste Schlussfolgerung, die sie aus ihren Erfahrungen gezogen hat, „dann macht sie auch Spaß.“

Noch etwas anderes ist ihr bei diesen Privatstunden aufgefallen: Viele Eltern zögern sehr lange, bevor sie sich entschließen, Geld in den Kauf eines Instruments und in Musikstunden für ihre Kinder zu stecken – ganz einfach weil sie befürchten, diese könnten das Interesse daran schnell wieder verlieren. Bis sie ihre Kinder für reif genug halten, sich selbst zu entscheiden, ob sie nun Geige, Klavier oder Gitarre lernen wollen, ist es manchmal fast schon zu spät dafür: Denn am besten lernt man ein Instrument in sehr jungen Jahren. Aus diesen Gründen wurden in der „Casa della Musica“ Instrument-Kennenlern-Kurse eingerichtet, in denen die Kinder wechselweise verschiedene Instrumente ausprobieren und für einige Tage mit nach Hause nehmen können.

Wegen dieser und anderer ungewöhnlicher Ideen hat Bettina Pilster trotz der großen Konkurrenz keine Zweifel daran, dass in Bremen Bedarf für ihr Institut vorhanden ist: „Natürlich gibt es viele private Musikschulen in Bremen, aber was ich hier vorhabe, gibt es in ganz Deutschland noch nicht.“ Sie muss es wissen: Schon während ihres Musikstudiums in Oldenburg war die gebürtige Bremerin in der Musikszene aktiv. In den letzten Jahren leitete sie mehrere renommierte Chöre, sang im Bremer „Vocal Quartet“ sowie im Chor des Oldenburger Staatstheaters und gab privaten Gesangs- sowie Klavierunterricht.

Dem Namen der Schule zum Trotz werden in der „Casa della Musica“ auch Kunstausstellungen gezeigt. Das liegt nicht nur an der disziplinübergreifenden Kunstauffassung der Gründerin, sondern auch daran, dass diese in Oldenburg vor ihrem Musik- auch einmal ein Kunststudium begonnen hat: „Ich konnte mich zwischen den beiden Disziplinen nie so richtig entscheiden, deshalb lag die Verbindung nahe.“

Wie sie sich die Gründung der Schule als junge Frau denn überhaupt leisten konnte? Sie habe es eben geschafft, die Bank von ihrem Konzept zu überzeugen, erklärt Bettina Pilster selbstbewusst. So einfach ist das also. Über die Höhe ihres Kredits will sie nichts Genaues verraten: „Jedenfalls zu hoch, um ruhig schlafen zu können!“

Einfach sei es trotz dieses Geldes nicht gewesen: Immerhin hat sie der Umbau ihres Elternhauses einen fünfstelligen Betrag gekostet, wovon der größte Teil in Schalldichtungs-Maßnahmen gesteckt worden ist. Ohne die tatkräftige Mithilfe ihrer Eltern und ihres Freundes hätte sie es auch nicht geschafft, gibt Pilster zu. Dennoch ist ihre Herangehensweise nicht gerade bescheiden: Bei den elf Lehrkräften, die sie bisher eingestellt hat, handelt es sich um eine Auswahl versierter Fachkräfte. In der Liste finden sich Namen wie der des Hamburger Saxophon-Professors Christoph Hansen oder auch jener der Theaterchor-Sängerin Tatjana Kluge. Neben dem pädagogischen und musikalischen Können der Lehrer war Pilster vor allem deren Konzerterfahrung wichtig, da man bei Konzerten erst richtig lerne, worauf es beim Musizieren wirklich ankomme.

Dieses Lernen bedeutet vor allem, das eigene Lampenfieber vor Auftritten in den Griff zu bekommen. Die „Casa della Musica“ bietet deshalb auch Lampenfieber-Seminare an sowie Workshops zur Körperarbeit, in denen Entspannungs- und Bewusstseinsübungen für alle, die auf der Bühne stehen, trainiert werden. Im Aufbau dieser Seminare stützt sich Bettina Pilster auf einen „placement“-Workshop, den sie vor einiger Zeit in Wien besucht hat. Dabei handelt es sich um eine Kombination aus Dehnungs-, Entspannungs- und Konzentrationsübungen, ähnlich dem autogenen Training: Mit der Aneignung bestimmter geistiger Bilder soll die Kontrolle über den eigenen Körper gesteigert werden. So sollten sich Ballett-TänzerInnen beim Trainieren etwa vorstellen, sie müssten mit ihrer Körperkraft gegen einen vom Boden ausgehenden magnetischen Sog ankämpfen.

Einige Elemente ihrer Seminare hat Pilster auch vom „audition training“ übernommen, einer Technik, mit der die richtige Körperhaltung bei Auditionen und bei Auftritten vor Publikum eingeübt werden soll. In einem Kurs über diese Technik habe sie beispielsweise eine halbe Stunde lang trainiert, wie man vor einer Audition im richtigen Tempo und in der geeigneten Körperhaltung durch die Tür tritt, berichtet Bettina Pilster. Die Soubrette solle „leichtfüßig und quirlig“ auftreten, eine Bewerberin um die Rolle der „Königin der Nacht“ dagegen langsam und würdevoll. Zum „audition training“ gehören außerdem Trainings zur gekonnten Verbeugung vor dem Publikum, die Einübung des Gangs zum Instrument sowie des abschließenden „In-Empfang-Nehmens“ des Beifalls. Da es sich bei diesem Thema umPilsters persönliches Steckenpferd handelt, sind hierzu sicherlich noch mehr Kurse und Workshops zu erwarten.

Mona Clerico

Die nächsten Veranstaltungen der Musikschule: Am 26. Oktober um 19 Uhr behandelt der „Überblicks-Kurs Musikgeschichte“ den Komponisten Orlando di Lasso. Am 27. Oktober um 15 Uhr findet ein Stadtrundgang unter dem Motto „Musikalisches Bremen“ statt. Weitere Veranstaltungen sind unter 49 86 331 zu erfragen

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