Doktor Diepgen übt sich als sensibler Therapeut

■ Mangels Alternativen muss die CDU ihren Wunschpartner höchst vorsichtig behandeln

Klaus Landowsky schlenderte gestern nicht mehr unbeschwert zum Gespräch mit der SPD. Diesmal hatte der CDU-Fraktionschef eine Tasche dabei. Eine Aktentasche? Wohl kaum. Eher schon einen Arztkoffer. Schließlich war die CDU-Delegation zum Therapiegespräch angereist. Es galt, in der architektonisch unterkühlten Atmosphäre der Wasserbetriebe einen schwierigen Fall zu behandeln. Der Patient hieß SPD.

Das Röntgenbild vom 10. Oktober – 22,4 Prozent – lässt nur eine Diagnose zu: Die Heilungsaussichten sind schlecht. Da sagt man nicht gerne die volle Wahrheit. „Zu den Inhalten unseres Gesprächs“, erklärte deshalb der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) gequält, könne er „keine weiteren Aussagen machen“. Er habe „zu akzeptieren“, dass die empfindlichen Gremien des Patienten „erst unmittelbar unterrichtet“ werden müssten.

Indes, dem Kranken fehlt die Einsicht. Dass er sich in Sondierungsgesprächen befindet, hört er nicht gerne. Doktor Diepgen, der den Patienten schon seit neun Jahren behandelt, respektiert das. „Auf Fragen der Definition“, welche Art von Gesprächen er mit der SPD geführt habe, wollte er sich gestern vor der Presse „nicht weiter einlassen“.

Auch Generalsekretär Volker Liepelt, als Assistent des Chefarztes sonst eher für die härtere Gangart zuständig, zeigte sich im Umgang mit dem Patienten gestern sehr sensibel. Den Fahrplan für die weitere Behandlung wollte er ganz auf dessen Wünsche abstimmen. „Im Procedere der SPD“, gestand Therapeut Liepelt jedoch, sei er „unsicher“. Vor allem sei es „noch unklar“, ob die SPD einen Parteitag brauche oder nicht. Zu dieser Frage habe der Patient „verschiedene Meinungen“. Ein klarer Fall von Schizophrenie.

Auch auf den Fall, dass sich die SPD noch nicht zur Operation entschließen kann, ist das Ärzteteam Diepgen-Landowsky-Liepelt vorbereitet. Zwar sagte Liepelt, man habe für die Vorsondierung „keinen weiteren Termin vereinbart“. Doch er schränkte ein: „Die CDU braucht keinen weiteren.“

Vorerst werden die Operateure bei ihrer sanften Therapie bleiben. Kommt ihnen der Patient abhanden, wird es in der Praxis ungemütlich. Ungemach droht auch aus den eigenen Reihen. Dort wird die Vorzugsbehandlung für den Patienten nicht gern gesehen. Die drei Medizinmänner müssen damit rechnen, dass sie für ihr sensibles Agieren auf dem nächsten Parteitag hart angegangen werden. Ralph Bollmann