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Zwischen Aufklärung und Fundamentalismus

■ In 2.000 Koranschulen findet in Deutschland religiöse Unterweisung statt. Grundgesetz und staatlicher Islamunterricht sollen „Hinterhof-Fundamentalismus“ verhindern

Bielefeld (taz) – In Deutschland leben rund 2,3 Millionen Muslime, zu denen mehr als eine halbe Million schulpflichtiger Kinder zählen. Fast alle von ihnen haben in ihren jeweiligen Moscheegemeinden die Möglichkeit, Koranunterricht zu besuchen. Diese Form der religiösen Unterweisung findet bundesweit in 2.000 Moschee- oder Kulturvereinen statt.

Der private Koranunterricht bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Artikel 7 des Grundgesetzes, der die Freiheit der Religionsausübung garantiert, und dem deutschen Vereinsrecht als Organisationsform der Moscheegemeinden, das auf der freiheitlichendemokratischen Grundordnung basiert.

Was in den Koranschulen tatsächlich gelehrt und gelernt wird, ist von außen oft nicht einsehbar. Ganz oben auf dem Lehrplan stehen immer der Koran selbst als heilige Offenbarung Gottes und die Überlieferungen des Propheten Muhammad, die so genannte Sunna. Ob Koransuren nur auswendig gepaukt oder auch erläutert werden, ob frontal unterrichtet oder diskutiert wird, ob Jungen und Mädchen gemeinsam oder getrennt unterrichtet werden, ist von der jeweiligen Gemeinde abhängig. In den türkischen Gemeinden findet man in der Regel neben dem Imam, dem Vorbeter, einen Islamgelehrten, den Hodscha, der für den Koranunterricht zuständig ist. Für den Unterhalt der beiden islamischen Gelehrten und Lehrer kommt die Moscheegemeinde auf.

Arabische, albanische oder bosnische Gemeinden sind häufig laxer organisiert als die türkischen Koranschulen. Arabische Koranlehrer etwa sind nicht selten ehrenamtlich tätige Laien (siehe Text oben), die Leitung des Gebets nehmen die Gläubigen im Wechsel wahr. Die meisten islamischen Gemeinden in Deutschland sind türkischsprachig. Einige Moscheevereine pflegen enge Beziehungen zu fundamentalistischen Kreisen innerhalb und außerhalb des Landes. Im Zentrum für Türkeistudien in Essen beziffert man den Anteil muslimischer Fundamentalisten auf ein Prozent. Deutlich darüber dürfte jedoch der Anteil in Deutschland lebender muslimischer Jugendlicher liegen, die an den privaten Koranschulen fundamentalistischer Beeinflussung ausgesetzt sind. Fundamentalistische Koranlehrer legen den Koran nicht nur strenger aus, sie lehnen auch die Integration in die deutsche, „ungläubige“ Gesellschaft ab. Es sind Fälle bekannt, in denen Koranlehrer eine Umgestaltung der staatlichen Ordnung nach islamischen Maßstäben gefordert haben. Einige Landesregierungen versuchen deshalb, islamischen Religionsunterricht an Schulen zu etablieren – um mit „aufgeklärtem“ staatlichen Islamunterricht „Hinterhof-Fundamentalisten“ das Wasser abzugraben.

So erprobt Nordrhein-Westfalen beispielsweise zur Zeit in einem Schulversuch an 37 Schulen Islamkunde als Regelfach. Allerdings gegen den Widerstand der islamischen Spitzenverbände. Denn weil der Islam hierzulande nicht als Glaubensgemeinschaft anerkannt ist, dürfen die Verbände die Inhalte des Unterrichts nicht bestimmen. Deshalb ist diese formale Anerkennung das erklärte Ziel zahlreicher islamischer Verbände. Um einen solchen Antrag wurde wird in Berlin gerade juristisch gerungen.

Ob private Koranunterweisung durch staatliche zurückgedrängt werden kann, ist fraglich. Sie hat sich zu einem wichtigen Bestandteil des islamischen Gemeindelebens in Deutschland gemausert, der auch zum Zusammenhalt der Gemeinden beiträgt. yas

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