: Berufsverbot wird verboten
Soldatinnen: Europäischer Gerichtshof spricht sich gegen generellen Ausschluss von Frauen aus der Armee aus. Gleichheitsgrundsatz geht vor nationales Recht ■ Von Christian Rath
Der Frauenanteil in der Bundeswehr dürfte bald steigen. In einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wurde eine Vorentscheidung dafür getroffen, dass Deutschland künftig mehr Bereiche der Bundeswehr für Soldatinnen öffnen muss. Bei Kampfeinsätzen kann das Frauenverbot aber bestehen bleiben. Das geht aus einem britischen EuGH-Verfahren hervor, das gestern bereits abgeschlossen wurde.
Im deutschen Fall geht es um die 22-jährige Tanja Kreil. Die ausgebildete Anlagenelektronikerin hatte sich 1996 um eine Stelle zur Instandsetzung von Waffenelektronik beworben. Wie erwartet lehnte die Bundeswehr ihren Antrag ab, denn das deutsche Soldatengesetz lässt den Truppendienst von Frauen nur im Sanitätsbereich und in Militärorchestern zu. Sogar das Grundgesetz verbietet, dass Frauen „Dienst mit der Waffe“ leisten. Nach bisher noch vorherrschender Auffassung sind damit nicht nur Zwangseinsätze von Frauen im Kriegsfall gemeint, sondern auch die freiwillige Tätigkeit als Zeit- oder Berufssoldatin.
Diese Praxis verstößt gegen eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 1976, die die berufliche Gleichbehandlung von Männern und Frauen verlangt. Das weiß auch die Bundesregierung, die sich aber auf eine Ausnahmeklausel beruft, wonach Frauen diskriminiert werden dürfen, wenn für eine Tätigkeit das männliche Geschlecht „unabdingbare Voraussetzung“ ist.
Die Bundesregierung verweist hier auf die Lehren aus der „deutschen Geschichte dieses Jahrhunderts“. Seit der Wiederbewaffnung 1956 sei es das Ziel der deutschen Politik, zu verhindern, dass Frauen als Soldatinnen kämpfen müssten.
Ein so allgemeiner Ausschluss von Frauen von fast allen Armeeberufen lässt sich aber wohl kaum rechtfertigen. Generalanwalt Antonio La Pergola erklärte gestern, dass die Bundesregierung nicht den Nachweis erbracht habe, warum es „unabdingbar“ sei, Frauen aus allen Kampfeinheiten auszuschließen. Eine Ausnahme könne höchstens für „spezielle Tätigkeiten“ gerechtfertigt sein. Der Generalanwalt ist unabhängig und bereitet die Urteile des Gerichtshofs vor. Seinem Schlussantrag folgen die 15 RichterInnen meist. Das Urteil wird Anfang 2000 erwartet.
Wie eine zulässige Ausnahme aussehen könnte, zeigte sich in einem zweiten Fall, der gestern vom EuGH bereits endgültig entschieden wurde: Angela Sirdar war seit 1983 als Köchin bei den britischen Streitkräften beschäftigt. Als sie elf Jahre später entlassen werden sollte, bewarb sie sich um eine Stelle bei der Elitekampftruppe Royal Marines. Zu den Marines dürfen allerdings nur Männer, weswegen Sirdar klagte.
Dieses partielle Berufsverbot für Frauen wurde nun vom EuGH akzeptiert, weil bei den Royal Marines jeder alles können muss und deshalb auch die Köche voll in etwaige Kampfhandlungen einbezogen seien. Die britische Regierung hatte deshalb argumentiert, es würde die Kampfkraft der Truppe schwächen, wenn auch Köchinnen zugelassen werden.
Die EuroparichterInnen bewerteten dieses Argument nicht inhaltlich, sondern betonten lediglich, dass die britische Regierung hier über einen „Ermessensspielraum“ verfüge. In Dänemark, Norwegen und Belgien sind vergleichbare Truppen für Frauen offen.
Entschieden wurde im Fall Sirdar auch der grundlegende Einwand von Staaten wie England oder Frankreich, das EU-Recht sei im Bereich der Militärpolitik überhaupt nicht anwendbar. Hier stellte der EuGH nun klar, dass die EU-Staaten durchaus souverän über ihre Militärpolitik entscheiden könnten, dabei aber einschlägiges EU-Recht, wie die Pflicht zur Gleichberechtigung von Mann und Frau, beachten müssten.
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