: Es gibt gebetene und ungebetene Gäste
Wegen des Besuchs von Präsident Chatami hat die französische Polizei zahlreiche iranische Oppositionelle in Vorbeugehaft genommen oder gar nicht erst einreisen lassen. Auf Schleichwegen gelang es einigen dennoch ■ Aus Paris Dorothea Hahn
Sie können heute nicht nach Frankreich reisen“, hätten ihm die Grenzpolizisten am belgisch-französischen Übergang auf der E 19 gesagt, erzählt Soheil. Als er protestierte, begründeten die Grenzer: „Der iranische Präsident kommt heute nach Paris. Kommen Sie am Wochenende wieder. Dann dürfen Sie rein.“
Der junge Mann, der ein silbernes Häschen am linken Ohr trägt und sein langes schwarzes Haar in einen Zopf gebunden hat, besitzt einen niederländischen Pass. Und darin ist sein Geburtsort im Iran vermerkt. Letzteres war, so vermutet er, der Grund, weshalb ihn die Grenzer gestern morgen nicht einreisen lassen wollten. Dabei hatten er und die anderen jungen Leute in seinem Wagen angegeben, Paris besichtigen zu wollen.
Die über zehnköpfige Gruppe von kanadischen Staatsangehörigen aus Montreal und Ottawa, die bereits zwei Tage zuvor auf dem Flughafen Charles de Gaulle im Norden von Paris ankam, versuchte gar nicht erst, irgendwelche Geschichten zu erzählen. „Wir kommen, um an einer Demonstration gegen den Besuch des iranischen Staatspräsidenten Mohammad Chatami in Frankreich teilzunehmen“, erklärten sie den Flughafenpolizisten. Eine Gefängnisnacht – später wurde die ganze Gruppe in eine Maschine zurück nach Kanada gesteckt. Nasrin, eine in Kanada lebende junge Iranerin, hat den Weg bis zur Place de Trocadéro im Westen von Paris, nur deshalb geschafft, weil sie erst nach Deutschland geflogen und zu einem frühen Zeitpunkt auf dem Landweg nach Paris weitergefahren ist. Vielleicht hat sie auch das mitreisende kleine Kind vor der Aufmerksamkeit der Grenzer bewahrt.
10.000 DemonstrantInnen hatten die „Volksmudschaheddin“ für ihre Demonstration in Paris angekündigt. Nicht einmal 2.000 sind anwesend, als die Kundgebung gestern um 12 Uhr beginnt. Dabei handelt es sich bei den „Volksmudschaheddin“ um eine hoch disziplinierte Organisation. Das kleine Häufchen, in dem die Frauen Kopftücher tragen, hält Bilder ihrer im Iran hingerichteten „Märtyrer“ hoch sowie Fotos der Eheleute Radjawi. Dazu skandieren sie auf Englisch: „Radjawi – yes. Chatami – no.“
Ein großer Teil der Pariser Spitze der „Volksmudschaheddin“ sitzt in Haft. Die französische Polizei, die am frühen Morgen schwer bewaffnet die Pariser Lokale der Organisation durchsucht hat, rechtfertigt das mit „präzisen Attentatsdrohungen“.
Auf der Place de Trocadéro erklärt ein Sprecher der „Volksmudschaheddin“, die Polizei habe nach Waffen gesucht, aber nur Dokumente über die Repression des Mullah-Regimes in Teheran gefunden.
Kaum jemand der aus dem europäischen Ausland angereisten DemonstrantInnen ist ohne Schikanen nach Frankreich gekommen. Hossein aus Köln versuchte es an drei verschiedenen Grenzstationen, bis er schließlich eine fand, wo er durchkam.
Merhdad aus Wuppertal rief nach zwei vergeblichen Versuchen, die franco-belgische Grenze zu überwinden, Freunde aus Frankreich an, die ihm „einen geheimen Weg“ zeigten. Viele hunderte IranerInnen kamen überhaupt nicht nach Frankreich rein.
Der junge Niederländer Soheil hatte mehr Glück. Er wartete gestern morgen mehrere Stunden an der franko-belgischen Grenzstation ab, klemmte sich dann in den Windschatten eines Busses und schaffte es so doch noch rechtzeitig zur Demonstration. „Chatami – Terrorist“, skandiert er.
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