Ausstieg aus der Atomkraft oder aus der Koalition

■ Grüne stellen Ultimatum. Neue Argumente für den Atomausstieg kommen aus Japan

Berlin (taz) – Nachdem die Ausstiegsverhandlungen mit der Atomwirtschaft bislang keinen Erfolg brachten, haben die Grünen nun an ihren Koalitionsvertrag erinnert – und damit erneut für Aufsehen gesorgt. Im Koalitionsvertrag ist festgeschrieben, dass ein Ausstiegsgesetz erarbeitet wird, sofern nicht binnen eines Jahres nach Antritt der Regierung ein Kompromiss mit der Atomwirtschaft erzielt wird.

Auf diesen Passus beriefen sich jetzt die Grünen. Vorstandssprecherin Antje Radcke machte den Verbleib in der Koalition davon abängig, ob es den Parteien gelingt, bis Jahresende eine Einigung in der Atompolitik zu erzielen. Fraktionsvorsitzende Kerstin Müller bekräftigte den Willen, den Ausstieg bei fortgesetzter Blockade der Atomwirtschaft per Gesetz zu regeln. Dies entspricht genau dem Vertrag. Dort heißt es, dass man nach Ablauf der Frist von einem Jahr nach Regierungsübernahme ein Gesetz einbringen werde, „mit dem der Ausstieg entschädigungsfrei geregelt wird; dazu werden die Betriebsgenehmigungen zeitlich befristet.“

Trotzdem kam Protest von der SPD. Die Äußerungen Radckes seien „unpassend“, sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Ernst Schanhold. Derartige Ultimaten nützten nur dem politischen Gegner. Man müsse ohne Hektik agieren, weil schließlich parallel zum Atomausstieg die Alternativen ausgebaut werden müssten.

Eine Alternative hatte die SPD erst Ende vergangener Woche geschwächt. Im Rahmen der Ökosteuer hatte sie die Latte für die Entlastung von Gaskraftwerken so hoch gelegt, dass sie kaum mehr erreichbar ist. Die Ökosteuerbefreiung für Gaskraftwerke beschränkte man gegen den Wunsch der Grünen auf Kraftwerke, die einen Wirkungsgrad von mindestens 57,5 Prozent erreichen.

Als erstes Opfer präsentierte sich die Hamburger VASA Energy. „Noch haben wir kein Unternehmen ausgemacht, das uns den hohen Wirkungsgrad zu ökonomisch vertretbaren Konditionen garantiert“, sagte Geschäftsführer Herbert Aly. Der geplante Bau eines Gaskraftwerks in Lubmin bei Greifswald werde dadurch möglicherweise um Monate zurückgeworfen.

Die Befürworter des Atomausstiegs bekamen unterdessen gestern weitere Argumente aus Japan geliefert. Eine von der Regierung nach dem Atomunfall von Tokaimura gestartete Untersuchung aller Atomfabriken im Land hatte Sicherheitsmängel in großem Stil aufgedeckt. Von den 17 Anlagen wiesen mit zwei Ausnahmen sämtliche Anlagen Defizite bei der Sicherheit oder der Gesundheitsvorsorge der Mitarbeiter auf. 25 Gesetzesverstöße endeckten die Gutachter bei der Untersuchung der Atomanlagen. Um die Bürger zu beruhigen, kündigte die Regierung an, sie werde die Atomanlagen in Zukunft häufiger prüfen.

Bernward Janzing