: Mein Freund der Baum ...
■ ... steht im Hasbruch, der kein Urwald, sondern eine historische Kulturlandschaft ist, wie das Oldenburger Naturkundemuseum mit eindrucksvoller Ausstellung belegt
Wenn nicht seit Jahrtausenden Unmengen von Kühen, Schweinen und Schafen hemmungslos in den Hasbruch gekackt hätten, wir könnten heute wohl kaum voller Stolz darauf verweisen, dass der Feuersalamander zwischen Delmenhorst und Oldenburg eine Populationsdichte aufweist, die im niedersächsischen Tiefland ihresgleichen sucht.
Das versteht man nicht auf Anhieb. Aber Biologie ist halt ein verflixt komplexes Ding, das der prall gefüllten Schaukästen, umfangreicher Erläuterungstafeln und jeder Menge ausgestopften Geviechs bedarf, damit man an seiner komplexen Verflixtheit nicht verzweifelt. Der im Oldenburger Museum für Naturkunde zu sehenden Ausstellung über den Naturschutzwald Hasbruch gelingt das vorzüglich. Nicht nur macht man dort Bekanntschaft mit getrockneten Eremitenkäfern, künstlichen Pilzkulturen und entzückend präparierten Baummardern – allesamt (Ex-)Bewohner dieses einzigartigen norddeutschen Waldes – man kehrt dieser Ausstellung zudem den Rücken mit der wertvollen Erkenntnis, niemals mehr das Wort Urwald in den Mund nehmen zu wollen, wenn man vom Hasbruch reden möchte.
Denn mit einem Urwald, also einem von Menschenhand unberührten Ökosystem, hat dieses 630 Hektar große Areal aber rein gar nichts gemein. Im Gegenteil: Nur dass Generationen von DelmenhorsterInnen und OldenburgerInnen den Hasbruch vor allem als vielfältig nutzbaren Wald betrachteten, rettete ihn davor, vollständig zu Kaminholz verarbeitet zu werden.
Jahrtausendelang trieben die umliegenden Bauern mangels Grünflächen ihre verfressenen Haustiere in ihn hinein, die dafür sorgten, dass das Dasein als Jungpflanze im Hasbruch eine kurze und traurige Angelegenheit war. Ende des 18. Jahrhunderts sind 190 Höfe rund um den Hasbruch regristriert, die täglich ihre zigtausend Rinder, Schafe und Schweine auf die Waldweide schickten. Seit dem 15. Jahrhundert holzten außerdem Schiffbauer aus dem Marschland kräftig im Hasbruch herum, mit der Folge, dass der Wald vor lauter fehlenden Bäumen kaum mehr zu sehen war. Der Hasbruch ähnelte damals einer Parkanlage mit Baumbestand, wie die Ausstellung anhand von Landschaftsmalereien aus dieser Zeit belegt.
1779 war dem Herzog Friedrich August von Oldenburg angesichts seines völlig ruinierten Forstreviers zum Heulen zumute und er befahl die planmäßige Aufforstung des Hasbruchs. Bis 1862 wurden zwei Drittel der Fläche mit Eichen bepflanzt. Bis auf einen knapp 40 Hektar großen Altbaumbestand, der aus Ehrfurcht vor den Jahrhunderte alten Bäumen erhalten wurde, basiert der heutige Baumbestand auf dieser Aufforstungsmaßnahme. Erst seit dieser Zeit sind Teile des Waldes rund um die 1200 Jahre alte Friederikeneiche sich selbst überlassen und dienen unter anderem achtzig Brutvogelarten, tausend Pilzarten und eben dem quietschgelben Feuersalamander als Heimat.
Mittlerweile zählt der Hasbruch gemäß der Flora-Fauna-Habitat-(FFH)-Richtlinie zu den besonders schützenswerten Wäldern der Europäischen Union, was jedem einleuchtet, der beeindruckt das Naturkundemuseum verlässt. Na, fast jedem: Zur Eröffnung der Ausstellung bemerkte der Staatssekretär im niedersächsischen Landwirtschaftsministerium, dass der Hasbruch zwar wundervoll sei, aber noch wundervoller werden wird, weil er in absehbarer Zeit doch wieder „schwarze Zahlen schreiben müsse“. Will sagen: der Forstertrag muss zum Nachteil von Eremitenkäfer und Feuersalamander gesteigert werden.
Ökologie ist halt verflixt komplex und übersteigt damit die Auffassungsgabe niedersächsischer Staatssekretäre beträchtlich. Und auch Bremen wird bekanntlich, wie die jüngste Auseinandersetzung ums Hollerhand und die immer noch nicht erfolgte Registrierung dieses Areals gemäß der FFH-Richtlinie zeigt, von Komposthaufen mit Parteibuch bevölkert, die unbelastet von jedem Sachverstand gerne mal Vögeln den schon legendär dümmlichen Rat erteilen, doch ein paar Meter weiter zu fliegen, damit ihre Brutstätten in Ruhe zubetoniert werden können. Ein baldiger Ausflug in das Staatliche Museum für Naturkunde in Oldenburg wäre nicht nur diesen Herren zu empfehlen. Auf dass Schlammpeitzger und Feuerslamander in Ruhe schlammpeitzgen und feuer-salamandern können.
zott
bis zum 5. Dezember im Oldenburger Museum für Naturkunde (Damm 38-44) zu sehen. Zur Ausstellung ist ein Buch erschienen (30 Mark). Infos unter Tel.: 0441/92 44 306
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