: Viele Häuser in Italien stehen noch
■ Nach dem Einsturz eines Mietshauses in Foggia will die Regierung einen „Häuserpass“ ausstellen, falls die Bausubstanz je gut sein sollte. Trotzdem nicht alle Sorgen ausgeräumt
Rom (taz-light) – Viele Italiener wachten gestern morgen erleichtert auf. Erstens, weil sie überhaupt aufwachten, zweitens, weil ihr Haus noch stand. Dreieinhalb Millionen Wohnungen im ganzen Land sind nämlich erheblich oder gar stark einsturzgefährdet – fast ein Drittel der gesamten Wohnsubstanz Italiens. Dies ergab eine nach dem Einsturz eines fünfstöckigen Wohnblocks im süditalienischen Foggia veröffentlichte Studie des Sozialforschungsinstituts Censis. 10 bis 15 Millionen Einwohner, die in solchen Häusern wohnen, sind damit an Leib und Leben hoch gefährdet, ebenso wie unzählige Passanten und Besucher. Die morgendliche Freude derjenigen Italiener, die das Los der bislang vierzig in Foggia tot aufgefundenen Opfer des Einsturzes beklagen, ist also verständlich.
In der allgemeinen Misere der Bausubstanz spielt hohes Alter der Häuser nach den Erkenntnissen des Instituts erst in zweiter Linie eine Rolle – allenfalls ein Drittel der gefährdeten Häuser ist mehr als 50 Jahre alt. Zwei Drittel dagegen stammen vorwiegend aus den 60er- und 70er-Jahren, der Hochzeit des Baubbooms, als allenthalben Palazzi und Sozialbauten in Mengen hochgezogen wurden, wie jener Block in Foggia.
Aber es sind nicht nur die einfachen, billigen Häuser, die sich als wackelig erweisen: Viele der vor allem Zweit- und Ferienwohnungen Begüterter wurden schwarz gebaut, weil man nicht die oft jahrelangen Genehmigungszeiten abwarten wollte. Und so wurde in nur wenigen dieser Häuser auch die notwendige Statik beachtet. Meist waren es einfache Handwerker vor Ort, die die Feriendatschen hochzogen. Mitunter rutschten, wie bei Trapani, ganze illegal gebaute Feriensiedlungen ins Meer, weil man den Untergrund nicht abgesichert hatte.
Die Regierung will nun mit Hilfe einer Art „Häuserpass“ dem Problem der Einsturzgefährdung – in den letzten 10 Jahren sind mehr als 100 Menschen bei solchen Katastrophen umgekommen – zu Leibe rücken: Für 700 bis 800 Mark soll eine staatliche Kommission die Bauten auf mögliche Gefahren untersuchen. Eigentümer, die derlei „Pass“ vorlegen können, sollen dann Steuererleichertungen erhalten und niedrigere Versicherungsbeiträge zahlen.
Ob derlei überhaupt durchführbar ist, bezweifeln jedoch selbst Optimisten. Eine eigene Behörde müsste dafür eingerichtet werden, und selbst wenn man sie mit tausenden Mitarbeitern ausstattet, bräuchte sie wohl weit mehr als zehn Jahre, um alle Häuser zu untersuchen. Bis dahin, so die Prognose, werden aber mehrere tausend weiterer Häuser längst eingestürzt sein. Schade. Werner Raith
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