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Das Abrisschaos am Hotel Adria

■ Wie eine fallwütige Dachpfanne dafür sorgte, dass die Friedrichstraße gesperrt wurde, Sicherheitsbeamte ausflippten und warum ein 48-Tonner nie im fünften Stock stehen darf

Chaos an der Friedrichstraße. „Wo fährt hier der verdammte Bus?“, brüllt ein Mann, als wolle er Amok laufen. Weil das Hotel Adria abgerissen wird, fahren aus Sicherheitsgründen weder die U 6 noch die Straßenbahnlinien 1 und 50 und die Busse 147 und 157 in Höhe der Abrissstelle. Doch die Nothaltestellen der Busse lassen sich nur schwer finden. Fahrgäste machen sich ihrem Frust mit wüsten Beschimpfungen Luft.

Das war am Donnerstagabend. Und schuld war nur eine vom Hotel Adria heruntergefallene Dachpfanne. Ein Windstoß habe sie gelockert. Dann sei sie auf den Fußgängersicherheitstunnel vor dem Hotel geknallt und habe dann das Dach eines BMW demoliert. So jedenfalls erklärt es Abrisskoordinator Jan Holstein von der Oranier Bauträger GmbH. Dass der BMW wenig später in einen Auffahrunfall verwickelt wurde, daran sei die Pfanne nicht schuld.

Dennoch hat die Polente den gesamten Straßenbreich sperren lassen. Weil die Fahrbahndecke über der U-Bahn-Röhre nur etwa einen Meter dick ist, hat die BVG den unterirdischen Verkehr gleich mit gestoppt. Seit gestern fließt der Verkehr aber wieder normal.

Der Baustadtrat von Mitte, Thomas Flierl (PDS), glaubt, beim Abriss seien Dilettanten am Werk gewesen: Die Abrissfirma Jeschke aus Bad Sassendorf (Nordrhein-Westfalen) „war offensichtlich überfordert“. Sein Amt prüfe nun die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens.

Bauleiter Holstein weist jede Kritik von sich: Die Abrissfirma habe mit solchen Objekten viel Erfahrung. Das Pikante am Hotel Adria sei, dass es auf Teils völlig morschen Pfählen gestanden habe. „Darum haben wir das Haus von den Seiten her nach innen, ins Atrium eingedrückt.“ Die Frontfassade sei stehen geblieben, damit eine Gefährdung des fließenden Verkehrs umgangen werden könne. Baustadtrat Flierl hält das für die falsche Technik: „Normalerweise wird so ein Haus Stockwerk für Stockwerk abgetragen.“ Das sei „totaler Quatsch“, meint Holstein. Der Longline-Bagger wiege 48 Tonnen. „Stellen Sie den mal in die fünfte Etage, der kracht Ihnen bis unten durch.“

Einen Vorteil hatte der kleine Unfall: Mit der Vollsperrung konnten seine Leute „völlig anders rangehen“, sagte Holstein. 2 Tage habe er dadurch gewonnen. Billiger geworden ist der Abriss aber nicht. Die Oranier Bauträger GmbH kann sich auf eine gepfefferte Rechnung der BVG freuen. Allein der Sonderverkehr habe rund 50.000 Mark gekostet, sagte eine BVG-Sprecherin. Die genauen Ansprüche würden geprüft.

Thorsten Denkler

Karen Heinrichs

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