: Bremens wahre Blaue werden sesshaft
■ Die Waller „Initiative“, das Blaue Haus und das Café Blau haben ein Grundstück gekauft. Eines Tages soll hier eine Blaue Zentrale für Normal-verrückte und Verrückt-normale entstehen. Doch schon heute eröffnet ein Aktionsraum und Café Karawanserei
So so! Zur Expo soll ganz Bremen also blau angemalt werden. Doch das einzige echte, wahre und seit mindestens hundert Jahren blaue Konsortium der Stadt wird nicht dabei sein. Jedenfalls nicht richtig. Denn Das blaue Haus, das Café Blau und der Rest der blauen Familie haben – schon ab heute – etwas anderes vor: Ganz Walle und die halbe Stadt blau machen zum Beispiel. Was natürlich nur im übertragenen Sinn gemeint und wie folgt zu erklären ist.
Schon 1985 schickte die Waller (Endlosnamen-) Initiative für soziale Rehabilitation und Vorbeugung psychischer Erkrankungen e.V. – kurz: Initiative – eine blaue Karawane über die Alpen. Anders als die Wohlfahrtsverbände ASB und AWO wollte die Initiative nicht nur die Wohngemeinschaften betreuen, in die Leute aus der aufgelösten Psychiatrie Blankenburg bei Oldenburg eingezogen waren. Sie hatte mehr zu sagen: Alle sind normal-verrückt oder verrückt-normal lautete die Devise. 1994 folgte dann das allseits bekannte „Blaue Kamel“, das über Flüsse schwamm und über Straßen fuhr. Doch nach all der Fahrerei hatten die NomadInnen eine neue Idee: Die Karawane muss – wenigstens ein bisschen – sesshaft werden.
Über den Schaufenstern eines alten Verkaufsraums direkt an der Waller Heerstraße, wo vor kurzem noch „Zuhälterschlitten“ ausgestellt waren, hängt jetzt ein Schild. Es zeigt eine Karawane, und sie schmückt die Fassade einer neuen, selbstverständlich orientalisch eingerichteten Café-Werkstatt namens Karawanserei. Für einen Batzen Geld – man munkelt: eine viertel Millionen Mark – hat die Initiative das Grundstück neben dem vor zehn Jahren abgenabelten Blaumeier Atelier dazu gekauft. Katamarane und ihre blauen Aufbauten sollen hier entstehen. Außerdem werden Gäste bewirtet – verrückt-normale und normal-verrückte, die bisher schon ins Café Blau gegangen sind oder den Weg über die Schwelle noch nicht fanden.
„Die Karawanserei soll kein Schonraum sein“, betont der Nervenarzt Klaus Pramann vom Vorstand der Initiative. Pramann und all die anderen Blauen wollen wieder an das „alte Gemisch“ der 80-er Jahre anknüpfen, als bei Stadtfesten und anderen ersten blauen Aktionen keiner eine Ahnung hatte, wer Arzt ist und wer psychiatrisiert, und bei denen gerade deshalb alle ihren Spaß und Gelegenheit für neue Erfahrungen hatten. Nun soll ein Gemisch aus gestalterischer Arbeit und Gastronomie Leute aus der näheren und weiteren Nachbarschaft in die „Karawanserei“ locken.
Und doch sind Café und Werkstatt nur Zeichen einer Übergangsphase. Die Initiative, das Blaue Haus, das Café Blau und wer auch immer hat sich verpflichtet, spätestens ab Ende 2001 auf dem Grundstück ein neues Haus zu bauen. Eine noch neuere und größere Karanwanserei soll eines Tages darin entstehen. Bis dahin bauen die Blauen Katamarane, um sie auf der Weser oder zur weit verästelten „Karawane 2000“ von Hadamar nach Assisi auf der Lahn schwimmen zu lassen. So genau steht das noch nicht fest. Nur eins ist klar: Zur Expo geht's nicht. Da wurden die Blauen BremerInnen lange hingehalten. Und als die Anfrage doch kam, war es zu spät. Enzo Vial vom Blauen Haus: „Wir wollten nicht bloß das Kamel herumschieben.“
ck/Foto: Kay Michalak
Eröffnung Karawanserei, Travemünder Straße 3, heute, Freitag, um 19 Uhr, mit „blue rock and blues“ und anderen Darbietungen. Öffnungszeiten: Do. ab 18 Uhr, Fr. ab 16 Uhr, Sa. ab 10 Uhr.
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