: Frühe Weihnacht in der Maxhütte
Banken einigen sich auf 140 Millionen Mark Kredit, um das Stahlwerk zu retten. Neuer Investor: der vom Betriebsrat favorisierte Jürgen Großmann ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler
Wenn das so stimmt, ist das für uns wie ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk.“ Albert Vetter, Betriebsratsvorsitzender des angeschlagenen Oberpfälzer Stahlwerks Neue Maxhütte (NMH), ist verhalten optimistisch, dass die Mehrzahl der 1.400 Arbeitsplätze eine Zukunft hat.
Den Weg dafür frei gemacht haben erfolgreiche Verhandlungen mit verschiedenen Banken, die dem im Konkurs befindlichen Unternehmen nun Kredite in Höhe von 140 Millionen Mark bewilligen wollen. Wenn morgen die jeweiligen Bankgremien ihre Zustimmung erteilen, könnte das Sulzbach-Rosenberger Stahlwerk ab 1. Januar 2000 einen neuen Besitzer haben: den niedersächsischen Stahlunternehmer Jürgen Großmann.
Betriebsrat und Gewerkschaften haben den Einstieg von Großmann schon lange favorisiert. Obwohl der einstige Vorständler von Klöckner, der die Georgsmarienhütte in Osnabrück aus den roten Zahlen geholt hat, die Maxhütte-Hochöfen auf Elektrotechnik umstellen und etwa 200 Stellen abbauen will, erhoffen sie sich endlich eine Zukunftsperspektive für das traditionsreiche Stahlwerk. Sie glauben, dass Großmann, der mit seiner Holding aus 20 mittelständischen Unternehmen mit rund 6.000 Beschäftigten einen Jahresumsatz von 1,8 Milliarden Mark erwirtschaftet, den dafür notwendigen langen Atem besitzt.
Einstmals arbeiteten 12.000 Stahlkocher in der Maxhütte. Als das Unternehmen 1977 an Krupp und Klöckner verkauft wurde, begann der steile Abstieg. Im Poker um EU-Stahlquoten hatte das vergleichsweise kleine Stahlwerk immer das Nachsehen. Im Frühjahr 1987 folgte der erste Gang zum Konkursrichter. Daraufhin beteiligte sich der Freistaat Bayern mit 45 Prozent, der Stahlunternehmer Max Aicher mit 44 Prozent und die Mannesmann AG mit 11 Prozent an einer Neuen Maxhütte GmbH mit nur 1.800 Arbeitsplätzen.
Anfang 1994 übertrug Bayern dann Aicher die unternehmerische Führung – sehr zum Leidwesen von Gewerkschaften und Betriebsrat. Die wehrten sich gegen eine Weiterführung mit herkömmlicher Hochofentechnologie und favorisierten stattdessen die Umstellung auf ein ökologisch ausgerichtetes Ministahlwerk mit kombinierter Auto-Recyclinganlage.
Dieses Konzept lehnte die bayerische Staatsregierung jedoch ab und stellte Aicher die staatliche Übernahme von Verlusten und Altlasten der NMH in Höhe von 210 Millionen Mark in Aussicht.
Das rief die EU-Kommission auf den Plan. Die Brüsseler Wettbewerbshüter verboten den Deal als unzulässige Subvention. Wenig später forderten sie den Freistaat auf, von der Maxhütte Darlehen in Höhe von insgesamt 74,1 Millionen Mark zurückzuverlangen. Die Klage des Freistaats gegen diesen Bescheid wies der Europäische Gerichtshof im Januar 1999 letztinstanzlich zurück. Der Richterspruch blieb ohne Konsequenzen, denn am 6. November 1998 war bereits zum zweiten Mal der Gang zum Konkursrichter erfolgt.
Wie schon beim ersten Konkurs 1987 wurde der Heidelberger Jobst Wellensiek zum Konkursverwalter bestellt. „Ich will einen geraden Weg zwischen den Fronten gehen“, hatte sich Wellensiek vorgenommen, und dieser Weg führte zu Jürgen Großmann. Der will das Stahlwerk mit einem Modernisierungsprogramm in Höhe von rund 400 Millionen Mark wieder konkurrenzfähig machen. Rund ein Drittel davon ist nun über die Darlehen von verschiedenen Banken abgedeckt.
Am Freitag hatten noch rund 1.000 Stahlwerker vor den Filialen der Deutschen Bank und der HypoVereinsbank in Amberg demonstriert. Diese beiden Banken hatten sich sich bis zuletzt gesträubt, sich am Finanzierungskonsortium zu beteiligen. Die Maxhütte-Beschäftigten hatten schon zuvor zugesichert, in den nächsten sieben Jahren auf Lohnzahlungen in Höhe von bis zu 70 Millionen Mark zu verzichten.
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